Metallpulver – die Tinte zum Drucker

Gedruckte Rahmenkonstruktion für die Windschutzscheibe eines High-Speed-Bootes. GRAFIK: FEHRMANN

 

VON HENNING FEHRMANN, RÜDIGER FRANKE UND DENNIS RIEDER, HAMBURG


Das 3-D-Drucken ist seit Jahren in aller Munde und wird insbesondere von fachfremden Personen und Medien wiederholt seiner großen disruptiven Potenziale gerühmt. Schaut man jedoch auf die Umsatzzahlen additiv gefertigter Teile, so sind diese winzig im Vergleich zu etablierten Märkten wie z.B. der Gießerei-Industrie. Woran liegt diese große Diskrepanz zwischen Projektion und Realität?

 

Um abseits des Hypes um die Additive Fertigung ihre Chancen und Risiken für sich zu beurteilen, bedarf es einer differenzierten Analyse. Die Argumente für das 3-D-Drucken sollten den meisten bekannt sein: 

 

  • Es werden keine Modelle, Vorrichtungen oder Werkzeuge benötigt. Neue Bauteile lassen sich daher in konkurrenzlos kurzer Zeit produzieren, was die Durchlaufzeit maßgeblich reduziert.
     
  • Die geringe Durchlaufzeit ermöglicht vollkommen neue Strategien zur Ersatzteilvorhaltung.
     
  • Ohne Modelle, Vorrichtungen und Werkzeuge lassen sich Bauteile nicht nur schnell, sondern auch individuell herstellen. Dieser Individualisierungsvorteil ist der wesentliche Grund, warum das 3-D-Drucken in der Produktentwicklung (Rapid Prototyping) und in der Prothetik seit Jahren auf dem Vormarsch ist.
     
  • Die Komplexität der Wertschöpfungskette wird deutlich reduziert. Ein Beispiel aus der Praxis der Sandgießerei der Fehrmann Alloys GmbH & Co. KG zeigt, dass anstelle von elf nur noch fünf Prozessschritte benötigt werden, also eine Reduktion der Komplexität von mehr als 50 Prozent.
     
  • Es entsteht ein bislang ungekannter Freiraum in der Konstruktion von Bauteilen und Modulen, z.B. in Form bionischer, sprich kraftflussoptimierter Konstruktionen.
     
  • Es lassen sich Module, die aus mehreren Komponenten bestehen, in einem Schritt fertigen.
     
  • 3-D-Drucken schont Ressourcen. Optimierte Konstruktionen ermöglichen signifikante Einsparungen von Material und Gewicht. Weniger Gewicht wirkt insbesondere bei bewegten Produkten wie z. B. Autos multiplikativ, sprich ermöglicht weitere Gewichtseinsparungen und führt zudem zu geringerem Energieverbrauch.

Gegen das 3-D-Drucken stehen sachliche, aber auch faktische Argumente:

  • Im Vergleich zu etablierten, auf Menge ausgerichteten Produktionsverfahren, sind die reinen Stückkosten um Potenzen höher.
     
  • Der Bauraum bestehender (Metall)- Druckanlagen ist begrenzt und beschränkt dadurch den Einsatz.
     
  • Viele Endprodukte basieren auf Standard- Komponenten und Standardmaterialien. Dieser „Kompromiss-Ansatz“ ist konträr zur Philosophie der Additiven Fertigung.
     
  • Die Einführung des 3-D-Druckens macht nur dann Sinn, wenn zugleich die gesamte Wertschöpfungskette angepasst wird, angefangen bei der Neukonstruktion. Neben den notwendigen Investitionen in Anlagen und Know-how erfordert dies einen hohen Aufwand.
     
  • Die Normung zur Qualitätssicherung gedruckter Bauteile befindet sich erst im Aufbau.
     
  • Das 3-D-Drucken ist als Produktionstechnologie (noch) nicht überall bekannt. „Gesundes Halbwissen“ führt zu teilweise abenteuerlichen Behauptungen, was alles bzw. was alles nicht möglich ist.
     
  • Es gibt kaum geeignete Metalle für die Additive Fertigung. 

Angesichts der einmaligen Vorteile ist die Additive Fertigungstechnologie auf dem Vormarsch. Große OEM und Tier-1-Unternehmen treiben die Etablierung, da sie die Potenziale erkannt haben. Dabei verfolgen sie aber nicht den Ersatz bestehender Produktionsverfahren, vielmehr etabliert sich das 3-D-Drucken in der Prototypen- und Kleinserienfertigung sowie in der Fertigung von Ersatzteilen und reiht sich damit als komplementäres Produktionsverfahren zum Gießen und Fräsen ein. Der Aufwand, die gesamte Wertschöpfungskette umzustellen und zugleich einen konsequenten Strategiewechsel von der Standardisierung zur Individualisierung und Optimierung einzuläuten, scheint demnach auch den progressivsten und finanziell stärksten OEM deutlich zu hoch bzw. nicht attraktiv.

Für die Zulieferer ist diese Herangehensweise eine große Chance. Denn die Additive Fertigung komplementär zur bestehenden Produktion aufzubauen, substituiert nicht die eigenen Produkte, sondern ergänzt das Produktportfolio und stärkt die Kundenbeziehung. Jeder erfahrene OEM / Tier-1 weiß eine stabile Geschäftsbeziehung zu guten Gießereien zu schätzen. Diese zu nutzen, um ergänzend auch die Bedarfe für additiv gefertigte Bauteile zu decken, liegt für beide Seiten auf der Hand. Gleichwohl wird die Technologie weiter wachsen. Die Fertigung ganzer Module in einem Druckvorgang, die Typologie-Optimierungs-Programme, die sinkenden Produktionskosten durch neue Anlagen und günstigere Materialien einerseits sowie das Know-how junger Ingenieure und Anwender andererseits werden diesen Prozess beflügeln. Die Skalierbarkeit zu beherrschen, sprich zu bewerten, bis wann man druckt und ab wann man gießt und / oder fräst und dies in der Praxis umzusetzen, wird nicht nur notwendig werden, sondern ist zugleich eine einmalige Chance, der gesamten Wertschöpfungskette signifikanten Mehrwert zu bieten. Wer jetzt nicht beginnt, dieses Know-how aufzubauen, wird bald nicht mehr hinterherkommen.  

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Dipl.-Ing. Henning Fehrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, Dipl.-Ing. EMBA Rüdiger Franke, Head of Metal Technology,Dennis Rieder, Head of Sales, Fehrmann GmbH & Co. KG, Hamburg