Neue Perspektiven durch 3-D-Druck

Michael Klein-Hitpass bei der Bedienung des 3-D-Druckers. Die Formen und Kerne werden in der Jobbox eingepasst wie beim Computerspielklassiker Tetris. (Foto: Andreas Bednareck)
VON ROBERT PITEREK
Die Prototypengießerei Grunewald im münsterländischen Bocholt hat Ende 2018 in einen 3-D-Sanddrucker von ExOne investiert. Nach über einem Jahr ist die Bilanz mehr als positiv. Die Kunden nutzen das neue Angebot rege – und das Gießen ist zugleich zum größten Umsatzbringer der Unternehmensgruppe geworden.
Michael Klein-Hitpass steht am Display eines ca. 2 mal 3 Meter großen ExOne-3-D-Sanddruckers vom Typ S-Max Plus. Gerade generiert er einen Baujob für vier Sandformen und eine Reihe von Kernen. Auf dem Bildschirm sieht es ein bisschen so aus, als wenn er eine Runde des Computerspielklassikers Tetris spielt: Die einzelnen Formen und Kerne werden übereinander und nebeneinander eingepasst. Zum Original- Spielambiente fehlt eigentlich nur noch, dass vervollständigte Linien aufleuchten und dann verschwinden, begleitet von elektronischer Spielmusik. Ist die Box voll, startet der Druck und der Druckkopf fährt von einer Seite zur nächsten, bis erste Konturen der gedruckten Teile zu erkennen sind, inklusive Öffnungen, in die später Speiser eingebracht werden. Hier entstehen gerade Formen für Strukturteile sowie Kerne für einen Integralträger, die für ein Versuchsfahrzeug eines englischen Fahrzeugherstellers bestimmt sind.
Der geräumige etwa 60 Quadratmeter große, extrem saubere Raum, in dem das alles stattfindet, enthält neben dem Drucker noch eine Art Auspacktisch neben dem Drucker und eine optische Vermessungseinrichtung. Hinter den großen Sichtfenstern des Druckerraums ist der Ofen zum Härten der Formen und Kerne zu erkennen. Zwischen Schläuchen und Verrohrungen ist an der Decke auch eine gelb lackierte, verfahrbare Kranvorrichtung für den Transport der großen Formen angebracht. Kostenpunkt von Drucker, Peripherie und übrigen Anlagen: 1,3 Millionen Euro.
Klein-Hitpass ist drahtig und groß. Mit seiner Brille nimmt man ihm die Leidenschaft für IT-basierte Gießereianwendungen leicht ab. Sein Berufsweg ging jedoch zunächst in Richtung klassischem Gießer: Modellbauerlehre bei Grunewald, Studium der Gießereitechnik in Duisburg. Über die Diplomarbeit fand er wieder zurück zu seinem Ausbildungsbetrieb in Bocholt. „Ich hätte nie gedacht, dass die Auslastung des 3-D-Druckers so gut ist“, sagt er. Und seine Chefs, Ulrich Grunewald, Geschäftsführer der gleichnamigen Unternehmensgruppe mit Standorten in Bocholt und Irxleben, sowie Gießereileiter Harald Dieckhues stimmen ihm da auf ganzer Linie zu.
Nach der Installation der Anlage Ende 2018 waren zunächst halb gefüllte Jobboxen die Regel. Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres arbeitet die Maschine nahezu rund um die Uhr. Während die unsichere Lage in der Automobilbranche das Geschäft von Zulieferern konventioneller Fahrzeuge zurzeit bremst, profitiert Grunewald von den Möglichkeiten, die 3-D-gedruckte Formen und Kerne bei Designfreiheit und Leichtbau bieten. Und diese Eigenschaften sind gerade besonders bei den Entwicklern von E-Fahrzeugen gefragt, deren Anteil am Straßenverkehr in den nächsten Jahren ja deutlich steigen soll. Strukturteile, Antriebstechnik, Fahrwerks- und Motorenteile sowie Batteriewannen fertigen die Bocholter aktuell für die Versuchsfahrzeuge der Automobilisten – immer häufiger mit 3-D-gedruckten Sandteilen, abgegossen mit Aluminium. Grunewald fertigt Bauteile für Fahrzeuge, die noch in Erprobung sind und in seriennahen Versuchen für eine Markteinführung qualifiziert werden, etwa durch Testfahrten im rauen schwedischen Winter.