Potenziale Additiver Fertigung für die Gießerei-Industrie

Die Potenziale Additiver Fertigungstechnologien erscheinen zunächst beeindruckend, doch gibt es auch Einschränkungen zu berücksichtigen. (Foto: Trumpf)
VON PROF. DR.-ING. MARTIN BEDNARZ
Additive Fertigungsverfahren, auch als 3-D-Druck bezeichnet, zählen zu den jüngsten Fertigungsverfahren. Ihre Entwicklung in den letzten Jahren ist geprägt von zahlreichen Innovationen. Die rasanten Fortschritte führen zusammen mit den vollmundigen Werbeversprechen der Hersteller dazu, dass die physikalischen und ökonomischen Limitationen der Technologie gerne vergessen werden.
Besonders im Bereich des Leichtbaus erscheinen die Potenziale von additiven Technologien zunächst beeindruckend, doch gibt es wichtige technische, physikalische und ökonomische Einschränkungen zu berücksichtigen. Dieser Beitrag soll aufzeigen, unter welchen Voraussetzungen additive Verfahren in der Gießerei-Industrie zum aktuellen Zeitpunkt wirtschaftlich erfolgreich einsetzbar sein können und wie verschieden additive Verfahren die Gießerei-Industrie beeinflussen.
3-D-Druckverfahren kommen neben der Prototypenfertigung verstärkt auch in der Produktion zum Einsatz, weswegen die anfallenden Kosten und fertigungsgerechtes Design zunehmend an Bedeutung gewinnen. Wird für die Fertigung eines Bauteils oder einer Baugruppe ein additives Fertigungsverfahren in Betracht gezogen, so sind zunächst grundlegende Voraussetzungen zu prüfen.
Grundvoraussetzungen für Additive Fertigung
Bauteilgröße
Additive Fertigung wird mit steigender Bauteilgröße aufgrund der exponentiell steigenden Bauzeit und der hohen Materialkosten zunehmend unwirtschaftlicher. Direkte additive Fertigungsverfahren für Metall- oder Kunststoffbauteile sind über einem Liter Bauvolumen selten wirtschaftlich. Eine Ausnahme stellt der 3-D-Sanddruck dar, weil sowohl der Formstoff, als auch der verdruckte Binder vergleichsweise günstig sind.
Hohe Komplexität
Es macht so gut wie nie Sinn, einfach durch konventionelle Verfahren herzustellende Geometrien durch einen 3-D-Druck-Prozess zu realisieren. Ein großer Vorteil der additiven Verfahren ist, dass Aufwand und Kosten nahezu unabhängig von der Bauteilkomplexität sind. Nur wenn der Aufwand durch konventionelle Fertigung enorm hoch oder eine konventionelle Fertigung gar unmöglich ist, wird 3-D-Druck wirtschaftlich.
Hohe Wertschöpfung
Nicht nur die Komplexität, sondern auch die erzielbare Wertschöpfung mit einem bestimmten Bauteil, ist für die Anwendung additiver Verfahren entscheidend. Deswegen finden direkte additive Methoden oft im Bereich der Luftfahrt, wo jedes Gramm Gewichtsersparnis eine hohe Wertschöpfung bedeutet, Anwendung.
Kleine Stückzahlen
Additive Fertigungsverfahren zeichnen sich durch geringe Investitionskosten (keine Werkzeuge notwendig) und hohe laufende Kosten (Materialkosten, Energiekosten, Anlagenkosten) aus. Oft liegt die Grenzstückzahl im einstelligen Bereich. Additive Fertigungsverfahren sind daher z.B. bei Anwendungen in der Medizintechnik (Prothesen, Orthesen, Dentalanwendungen) enorm erfolgreich.
Zeitkritische Bauteile
Additive Verfahren bieten bei Produkten, die konventionell mehrere Fertigungsschritte durchlaufen müssen oder auf aufwendige produktspezifische Betriebsmittel (Werkzeuge, Vorrichtungen, Modelle etc.) angewiesen sind, einen enormen Zeitvorteil. Sie sind oft schon nach wenigen Tagen oder sogar Stunden verfügbar, während auf konventionellem Weg mehrere Wochen benötigt werden. Dies macht Additive Fertigungsverfahren besonders interessant für eine beschleunigte Produktentwicklung (Prototypen, Vorserien) oder für zeitkritische Ersatzteile. Sind alle Voraussetzungen gegeben, kann der Einsatz von Additiven Fertigungsverfahren verfolgt werden. Natürlich sind dabei die spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen. Im Folgenden wird eine grobe Charakterisierung von Metall- und Kunststoffdruck sowie den indirekten additiven Fertigungsverfahren vorgenommen.
3-D-Metall-Druck
Additive Methoden sind in der Luftfahrtbranche aufgrund ihrer Leichtbaupotenziale und in der Medizintechnik aufgrund effizienter Fertigung auch bei Losgröße eins im Aufwind. Sie ermöglichen den Einsatz komplexer Formen und Strukturen, welche mit konventionellen Verfahren nicht umsetzbar sind. Sie erschließen damit auch das volle Potenzial digitaler Methoden der Topologieoptimierung. In der Luftfahrt werden hauptsächlich 3-D-Druck-Bauteile aus Magnesium-, Titan- oder Aluminiumlegierungen verwendet. Die typischen Kosten solcher Metalldruckprozesse liegen deutlich über 1000 Euro pro Kilogramm*, (typischerweise bei 2000 bis 3000 Euro pro Kilogramm), und machen diese Verfahren für eine Serienanwendung in weniger leichtbauorientierten Industriezweigen unwirtschaftlich. Lediglich im Werkzeug- und Anlagenbau, wo durch technologisch optimierte Einzelteile eine hohe zusätzliche Wertschöpfung erzielt werden kann, sind Metall-3-D-Druck-Verfahren mittelfristig für die Serienfertigung einsetzbar.
Prof. Dr.-Ing. Martin Bednarz, Professur für innovative Fertigungsverfahren und Digitalisierung in der Produktion, TH Ingolstadt.