Lebensdaueranalyse mit Kennwerten der zerstörungsfreien Prüfung

Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse lassen sich zerstörungsfrei Ungänzen detektieren und in die Lebensdauerbeurteilung einbeziehen. BILD: FRAUNHOFER LBF
VON CHRISTOPH BLEICHER, DARMSTADT
Gusskomponenten stellen heute dank der verfahrensbedingt hohen Freiheitsgrade sowie ihrer sehr guten Festigkeitseigenschaften hochleistungsfähige Konstruktionen dar. Dabei lassen sich neben Kleinstbauteilen auch schwere und dickwandige Komponenten aus Eisen- und Stahlguss herstellen. Bauteilspezifisch wechselnde Wanddicken erschweren jedoch eine zutreffende Lebensdauerabschätzung für die unterschiedlichen Geometriebereiche. Hier können digitale Methoden helfen, reproduzierbare Kennwerte zu liefern.
Der Einsatz verschiedenster, hochentwickelter Gießverfahren ermöglicht mittlerweile die Produktion integrierter Konstruktionen in einer Gusskomponente, sowohl im Eisen- als auch im Nichteisenguss. Daraus ergeben sich aber auch bauteilspezifisch wechselnde Wanddicken mit entsprechend unterschiedlichen Gefügen und Gefügeeigenschaften. Dies stellt die Ingenieure immer wieder vor die Herausforderung, eine verlässliche Betriebsfestigkeits- und Lebensdauerbeurteilung für die unterschiedlichen Bauteilbereiche durchführen zu können. Neben geometriebedingten, bereichsspezifischen Gefügeunterschieden und entsprechend variierenden Schwingfestigkeitseigenschaften, treten zusätzlich immer wieder Ungänzen im Guss auf, die ebenfalls korrekt und möglichst eindeutig hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Bauteillebensdauer zu beurteilen sind.
Dabei sind nicht nur analoge, sondern im Sinne der Vernetzung auch digitale Methoden anzuwenden, die reproduzierbare Kennwerte für die Betriebsfestigkeit gegossener Komponenten liefern. Dies bedingt etwa die Einbindung der Erstarrungssimulation sowie digitaler zerstörungsfreier Prüfmethoden in die Bauteilbemessung, um ausgehend von bereichsspezifisch abgeschätzten Gefügen und Ungänzen eine Lebensdauerabschätzung vor dem Abguss durchführen zu können. Eine anschließende Kontrolle der tatsächlich auftretenden Ungänzen mittels zerstörungsfreier Prüfmethoden könnte dann eine Nachbemessung bzw. eine valide Lebensdauerbeurteilung des realen Gussteils ermöglichen. So wird über digitale Prozesse der Beurteilungsaufwand massiv reduziert und eine beschleunigte Freigabe von Bauteilen erreicht.
Gerade bei der Lebensdauerbeurteilung von Gussbauteilen mit bereichsweisen Ungänzen oder unterschiedlichen Gefügeeigenschaften existieren heute in Normungen und Richtlinien keine oder nur standardisierte Vorgehensweisen, etwa in Abhängigkeit der Gütestufen bzw. Fehlerklassen. Diese berücksichtigten jedoch nur unzureichend die wanddicken- bzw. gefügespezifische Beanspruchbarkeit des Bauteils. Dabei kommen unter anderem sogenannte Fehlervergleichskataloge etwa für die Beurteilung von Lunkern zum Einsatz, denen ein rein visueller Vergleich von gefundenem zu genormtem Lunkerbild zugrunde liegt. Anschließend wird die zugewiesene Lunkerklasse am Bauteil über die Wanddicke in eine Gütestufe übersetzt. Dabei ist das Vorgehen zwar genormt und nachvollziehbar, jedoch selten reproduzierbar und lässt wichtige Informationen wie die Bauteilbeanspruchung sowie die tatsächliche Ungänzengröße und -geometrie bei der Beurteilung außen vor.
Weitere Informationen
Dr.-Ing. Christoph Bleicher
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Qualifizierung gegossener Komponenten
Bartningstraße 47, 64289 Darmstadt
E-Mail: christoph.bleicher(at)lbf.fraunhofer.de
Internet: www.lbf.fraunhofer.de