Aktualität schlägt Verfahren

Begleitende Ausstellung am Rand der VDI-Fachtagung: Mehrere Firmen präsentierten sich und ihre Produkte. (Foto: BDG, Martin Vogt)
VON MARTIN VOGT
Um die technischen Aspekte des „Gießens von Fahrwerks- und Karosseriekomponenten 2020“ ging es auf der gleichnamigen VDI-Fachtagung – auch. Darüber hinaus drückte die Summe der aktuellen Gemengelage der Veranstaltung ihren Stempel auf: von der wenig klaren Produktzukunft bis zur CO2-Debatte.
Als Tagungsleiter Martin Fehlbier (Universität Kassel) die 4. VDI-Fachtagung mit dem Stichwort „konjunkturelle Schwierigkeiten“ einleitete, war dies lediglich der Prolog zum Status quo der Branche. Letztlich bewegen, das machte die Tagung deutlich, viele Fragen Deutschlands Gießer: Wohin entwickelt sich die Hauptabnehmerbranche, die Autoindustrie? Gibt es Tendenzen in der Konstruktion? Und in welche Techniken sollen die Unternehmen investieren? Wird künftig die Nachfrage nach Aluminiumguss weiter steigen? Werden Druckgießmaschinen mit noch höherer Schließkraft sinnvolle Investitionen sein? Und neben der technischen Ebene, die natürlicherweise Hauptthema derartiger Tagungen ist, gab es Fragen um die Rahmenbedingungen, die die technischen und Produktthemen überlagern.
Diskutiert wurde von allen Teilnehmern in vier Arbeitsgruppen, deren geclusterte Ergebnisse dann auch ein bemerkenswertes Schlussfeuerwerk waren, ehe die Zweitages-Veranstaltung mit der Besichtigung des 2013/2014 errichteten Audi-Standortes Münchsmünster endete: die Zweigstelle des Stammwerkes Ingolstadt hat Audi seinerzeit auf der grünen Wiese geplant – mit den Anforderungen der Jetztzeit.
Und so wirkt das Werk mit seiner Gießerei auch: Beeindruckend hell, luftig, logistisch logisch aufgebaut, unaufgeregt, geordnet – und unglaublich sauber. Auch hoch automatisiert. Wo Federbeindome und weitere Teile im Aluminium-Druckguss inklusive Wärmebehandlung entstehen, arbeiten lediglich 80 Mitarbeiter im Schichtbetrieb.
Doch zurück zur Tagung. Sie bot – abgesehen vom gruppendynamischen Brainstorming – 15 qualitativ gemischte Vorträge in üblicher Verteilung: ein paar ordentlich, ein paar richtig stark, ein paar doch eher schwach. So gesehen legte die Tagung einen mäßigen Start hin, was nicht nur daran lag, dass Referent Klaus Mühlhahn aus Berlin per Skype zugeschaltet war (Sturmtief Sabine hatte die Anreise verhindert). Der Professor für Geschichte und Kultur verwendete alleine die Hälfte seines Vortrages zum an sich spannenden Thema „Stärken und Schwächen der chinesischen Industrie- und Innovationspolitik am Beispiel der E-Mobility“ auf die Darstellung der Pläne des chinesischen Regimes – was mit wenig Mühe auch zu googeln ist und für die versammelten Gießer weder spezifisch noch inspirierend war. Mut zur Interpretation zeigte der Berliner an unerwarteter Stelle: Mit seiner These, dass Chinas Überproduktion an E-Autos für den deutschen Markt relevant werden könnte, da sie einen Export zu Dumpingpreisen auslösen wird.
Deutlich konkreter wurde Jost Gärtner mit seinen Ausführungen zu „Fahrzeugleichtbau- Markttendenzen“. „Wir glauben an den Impuls von VW ID.3 und Tesla – und sehen Aluminium mittelfristig wachsen“, sagte der Geschäftsführer von AluMag Automotive und nannte den „hohen Anteil von Stangenpressprofilen und Druckgussbauteilen“ in vielen aktuellen und künftigen Modellreihen.
Gärtner zeigte auch – und dies ist deutlich weniger leicht zu googeln als chinesische Fünfjahrespläne, sondern handfeste Fach-Information – im Überblick, welche Marken in welchen Segmenten welche E-Modelle am Start haben und welches das umhüllende Material der Batterie ist: meistenteils Alu, aber auch bei einigen Modellen Stahl. Insbesondere im A- und B-Segment kommt dieser Werkstoff zum Einsatz.