Einfluss der Elektromobilität auf die Gussproduktion in der deutschen Gießerei-Industrie – Teil 2

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VON CHRISTIAN WILHELM, MAUER, UND LOTHAR H. KALLIEN, AALEN
Mobilität ist seit dem Benz-Patent-Motorwagen Nummer 1 des deutschen Erfinders Carl Benz im Jahr 1886 ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Aktuell dominierend ist nach wie vor in Fahrzeugen der konventionelle Verbrennungsmotor. Doch der sich weitreichend abzeichnende Trend zur Elektromobilität, weg vom Verbrennungsmotor, stellt die Automobilindustrie und ihre Zulieferer zunehmend vor neue Herausforderungen. Insbesondere die deutsche Gießerei-Industrie ist als Hauptlieferant an die Automobilindustrie gekoppelt und von deren Schwankungen und Trends direkt betroffen. Wie bei jedem Trend gibt es auch beim Thema Elektrifizierung Chancen und Risiken. In welcher Form sich diese auf die deutsche Gießerei-Industrie beziehen, soll im Folgenden beschrieben werden. Die technischen Aspekte der Antriebstechnologien im Vergleich wurden bereits in Teil 1 beschrieben, die sich hieraus ergebenden Folgen für die Branche und die davon betroffenen Gießereibetriebe sollen in diesem 2. Teil beleuchtet werden.
Bild 1 zeigt die starke internationale Vernetzung der in Deutschland produzierenden Hersteller von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (LCV) im Jahr 2016. Betrachtet man die Hersteller von Fahrzeugteilen und die daran beteiligten Gießereien, wird die komplexe globale Vernetzung offensichtlich (Bild 2).


Einflüsse der sich abzeichnenden Elektromobilisierung können aus diesem Grunde nicht mehr isoliert für Deutschland, sondern müssen im globalen Kontext betrachtet werden. In den folgenden Ausführungen wird deshalb Bezug auf die weltweite Entwicklung der Fahrzeugzulassungen im Vergleich zur Entwicklung in Deutschland genommen. Dies bedeutet, dass ein potenziell betroffener Gießereibetrieb den Focus auf seine spezifische Abhängigkeit vom deutschen und/oder globalen Markt legen muss, will er die spezifischen Auswirkungen der Elektromobilisierung für sich bewerten.

Bild 3 zeigt die Entwicklung der Neufahrzeugzulassungen und die hierfür zu produzierenden Motoreinheiten weltweit bzw. in Deutschland im Vergleich. Die starke Zunahme der weltweiten Fahrzeugzulassungen ist im Wesentlichen auf das hohe Wachstum in China zurückzuführen. Die deutschen Zulassungen hingegen stagnieren. Zieht man die Tatsache, dass jeder Hybridantrieb nach heutiger Technologie sowohl einen vollwertigen Verbrennungsmotor als auch einen Elektroantrieb besitzt, mit ins Kalkül, so ist ein erheblicher Zuwachs von einzeln gießtechnisch herzustellenden Motoreinheiten festzustellen. Unabhängig von der Marktentwicklung zeichnet sich also ein zusätzlicher Teile- und Guss-Mehrbedarf durch die (wenn auch als Brückentechnologie) vorübergehend ansteigende Hybridisierung ab. Dieser Trend schwächt sich weltweit nach 2030 ab bzw. kehrt sich in Deutschland zwischen 2030 und 2040 um.


In der weiteren Betrachtung werden die wesentlichen Hauptbauteile der verglichenen Antriebskonzepte, wie in Bild 4 dargestellt, gewichtsmäßig und fertigungstechnisch bewertet. Demnach wird die Gesamttonnage der Hauptbauteile aus Guss weltweit um ca. 70 % zunehmen (Bild 5). Auf Deutschland fokussiert, wird die Gusstonnage bis zum Jahre 2030 um 9 % zunehmen; dann wird sich der bereits beschriebene Umkehrtrend mit einer Abnahme um 9 %, verglichen mit 2020, einstellen.

Unter Berücksichtigung einer vereinfachten Fertigungstakt-Betrachtung ergibt sich der in Bild 6 dargestellte Sachverhalt: weltweite Zunahme der Fertigungstakte bis 2040 und Umkehr des Trends, bezogen auf die prognostizierten Zulassungen in Deutschland, nach 2030.
Teil 1 lesen Sie hier