Einfluss der Elektromobilität auf die Gussproduktion in der deutschen Gießerei-Industrie

FOTO: ©MYST - STOCK.ADOBE.COM

 

VON LOTHAR H. KALLIEN, AALEN, VOLKAN GÖRGÜN, STUTTGART, UND CHRISTIAN WILHELM, MAUER

Mobilität ist seit dem Benz-Patent-Motorwagen Nummer 1 des deutschen Erfinders Carl Benz im Jahr 1886 ein wesentlicher Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Aktuell dominierend ist nach wie vor in Fahrzeugen der konventionelle Verbrennungsmotor. Doch der sich weitreichend abzeichnende Trend zur Elektromobilität, weg vom Verbrennungsmotor, stellt die deutsche Automobilindustrie und ihre Zulieferer zunehmend vor neue Herausforderungen. Die deutsche Gießerei-Industrie ist als Hauptlieferant an die Automobilindustrie gekoppelt und von deren Schwankungen und Trends direkt betroffen. Wie bei jedem Trend gibt es auch beim Thema Elektrifizierung Chancen und Risiken. In welcher Form sich diese auf die deutsche Gießerei-Industrie beziehen, soll im Folgenden beschrieben werden.

 

Die Gießereibranche steht vor weitreichenden Veränderungen. Die mit Abstand größte Veränderung ist der Trend zur Elektromobilität. Die Treiber der Elektromobilität sind vielfältig. Neben dem Klimawandel mit nicht absehbaren Folgen, der Ressourcenverknappung und den Preisschwankungen gehen die Urbanisation sowie die Übernahme sozialer Verantwortung in der Gesellschaft mit einher. Vor allem setzt verstärkt die jüngere Generation auf nachhaltige Mobilität als Bestandteil eines urbanen Lifestyles. Zusätzlich war die zwischen Europarat und Europaparlament formell am 23. April 2009 beschlossene Verordnung zur Minderung der CO2-Emissionen bei Personenkraftwagen ein Door-opener für die Elektromobilität und setzt die Automobilindustrie und ihre Zulieferbranche deutlich unter Druck. Die Verordnung besagt, dass der CO2-Ausstoß bis 2021 auf durchschnittlich 95 g/km gesenkt werden muss. Ein CO2-Austoß von 95 g entspricht einem Verbrauch von 4,1 l Benzin bzw. 3,6 l Diesel pro 100 km. Ohne den Verkauf von Elektrofahrzeugen sind diese Werte nach Ansicht von Fachleuten nicht zu erreichen.

 

 

Schlussfolgerung für die deutsche Gießerei-Industrie: Hinsichtlich der Auswirkungen auf die deutsche Gießereibranche kann gesagt werden, dass sich die Bauteilspektren, unabhängig vom Zukunftsszenario, schon längst verändert haben. Downsizing und Hybridisierung beeinflussen die klassischen Gusskomponenten bereits heute und sind Vorboten der Elektromobilität. Sowohl Elektrofahrzeuge als auch Hybrid-Fahrzeuge müssen leichter werden, um das zusätzliche Gewicht der Batterie zu kompensieren und die Reichweite zu verlängern. Neben den Bauteilen, die bei Elektrofahrzeugen nicht mehr notwendig sind, bietet u. a. das Druckgießverfahren die Möglichkeit, den Anforderungen des Leichtbautrends als Gießverfahren gerecht zu werden. Durch die Möglichkeit, äußerst kleine Wanddicken zu realisieren, sind dünnwandige Batteriegehäuse und -träger, die zum Teil durch komplexe Kühlkanäle die Temperierung der Batterie realisieren, das Zukunftspotenzial im Guss. Weiterhin besitzt der Elektromotor selbst ein entsprechendes Potenzial, denn hier sind ebenso die Integration von Kühlkanälen und weiterer Funktionen im Guss möglich. Das Gießverfahren bietet zahlreiche Möglichkeiten, Bauteile leichter zu konzipieren. Es erlaubt hohe Gestaltungsfreiheit, um den richtigen Werkstoff an der richtigen Stelle einzusetzen und hilft, mehrere Funktionen in ein Bauteil zu integrieren. Es ist also richtig, dass manche Komponenten für die deutsche Gießerei-Industrie bei batterieelektrischen Fahrzeugen verlorengehen werden. Trotzdem wird es mit entsprechend angepasster Geometrie selbst in Elektrofahrzeugen weiterhin Bedarf geben.

Teil 2 lesen Sie hier

Prof. Dr.-Ing. Lothar H. Kallien, Hochschule Aalen, Aalen, Volkan Görgün, AVL Deutschland GmbH, Stuttgart, und Dr.-Ing. Christian Wilhelm, Mauer