Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität
Nemak-Forschungschef Christian Heiselbetz zu den Anforderungen an Gießereien im globalen Wettbewerb bei der Fertigung von E-Fahrzeugen.

FOTO: NEMAK
Herr Heiselbetz, fahren Sie ein Elektroauto?
Derzeit nein. Ich bin bei Gelegenheit mit einem BMW i3 als Leihwagen von meinem Wohnsitz Baden-Baden nach Karlsruhe und zurück gefahren. Tolles Fahrerlebnis, dynamisch und auf der Autobahn auch mal Tempo 160 km/h. Nach der 80 km-Strecke war die Batterie bei 20 %. Nach 2 Stunden Laden an der normalen Steckdose – ich habe keine Ladestation – wäre ich 8 km weiter gekommen. Anderes Beispiel: Als ich mich zuletzt nach einem neuen Dienstwagen umsah, hatte ich durchaus einen Plug-in-Hybrid (PHEV) ins Auge gefasst. Aber weder in meiner Frankfurter Wohnung noch im Parkhaus unseres Bürogebäudes hier am Flughafen gibt es eine Lademöglichkeit. Ich hätte den Wagen also zum Aufladen über die Verbrennungsmaschine betreiben müssen, was energietechnisch nicht gerade sinnvoll ist. Also zusammengefasst: Interesse ja, mit dem derzeitigen Angebotsportfolio und meinem Fahrprofil passt es nicht zusammen.
Nemak ist ja auch klassischer Motorengießer ...
Unser Hauptgeschäft ist das Gießen von Motorkomponenten, wir sind aber seit 2013 auch E-Motorhersteller. Wir liefern die Gehäuse für die E-Maschinen vom BMW i3 und i8.
Sie sind relativ früh in den Bereich E-Mobilität eingestiegen. Wie entwickelt sich dieses Geschäftsfeld?
Gemeinsam mit seinen Kunden arbeitet Nemak seit 2011 an Gussteilen für die E-Mobilität. Seit dem Start unseres Geschäfts mit E-Motor-Gehäusen haben wir zusätzliche Kompetenzen in den Bereichen Gießen und Bearbeitung entwickelt, die wir heute als Wettbewerbsvorteile sehen. Wir sind stolz darauf, rund 150 000 BEVs (Battery Electric Vehicle) auf den Straßen zu sehen, die mit einem Nemak E-Motor-Gehäuse laufen. Wir stehen kurz vor dem Anlauf weiterer Gehäuse für E-Maschinen.
Ein weiteres Standbein ist der Strukturguss …
Den Bereich Strukturbauteile haben wir seit etwa zwei Jahren in Serie für verschiedene deutsche und europäische OEM. Für einen deutschen Premiumhersteller etwa fertigen wir die Strukturgussteile in Europa. In der Plattform eines anderen deutschen namenhaften OEM wird ebenfalls Strukturguss von uns verwendet, den wir in unserem Werk in Mexiko bauen, für die mexikanische Fertigung des Fahrzeugs. Neben diesen Serienteilen gibt es eine große Anzahl an Anfragen von Kunden bis in das C-Fahrzeugklasse-Segment (Mittelklasse) hinein. Derzeit wird verstärkt der Bereich Strukturbauteile der oberen Mittelklasse und Oberklasse, also dem D- und E-Segment, nachgefragt. Wir sehen einen starken Trend auch bei C-Klasse-Fahrzeugen. In die Mittelklasse dringt der Strukturguss Stück für Stück vor und da werden wir mit Sicherheit steigende Marktanteile verzeichnen können.
Aufgrund der noch sehr schweren Batterien gilt Leichtbau und damit auch Strukturguss als Schlüsseltechnologie für die Reichweite von E-Autos. Aber Elektromaschinen rekuperieren und mit höherer Leistungsdichte der Batterien dürfte die Reichweite eines Tages kein Problem mehr darstellen. Dann dürfte das Fahrzeuggewicht keine große Rolle mehr spielen, denn rein elektrisch gibt es keinen CO2-Ausstoß. Wie nachhaltig ist Leichtbau?
Grundsätzlich ist die Überlegung vollkommen richtig. Was dagegen spricht ist definitiv der prognostizierte Marktanteil der reinen E-Fahrzeuge. Ihre Aussage bezieht sich eindeutig auf rein batterieelektrische Fahrzeuge, die diese Möglichkeit des starken Rekuperierens bieten. Wenn die Elektromaschine rekuperiert, kann sie einen Teil der Energie, die aufgewendet wurde um das Fahrzeug zu beschleunigen, zurückgewinnen, um sie abzuspeichern. Mit entsprechenden Verlusten, aber es macht Sinn. Bei einem reinen E-Fahrzeug spielt das Thema Gewicht eine gegenüber heute untergeordnete Rolle. Jetzt gehen wir aber davon aus, dass wir im Jahr 2025/30 immer noch etwa 80 % hybridische Antriebe oder mit einem Verbrennungsmotor ausgestattete Fahrzeuge sehen werden. In diesen Fahrzeugen sehe ich sehr wohl noch einen ganz großen Bedarf, das Gewicht weiter zu reduzieren. Messen und Konferenzen, die wir besuchen, bestätigen den klaren Trend zum Thema Gewichtsreduktion und dort wollen wir unseren Beitrag leisten.
Mit Christian Heiselbetz sprach Gerd Krause, Mediakonzept, Düsseldorf