Stofflicher Leichtbau durch optimierte Werkstoff-Prozess-Kombination

Lichtoptische Aufnahme eines carbonitrierten Zahnradzahns. FOTO: FORSCHUNGSVERBUND MASSIVER LEICHTBAU

 

VON CLEMENS NEIPP, AACHEN, HOLGER SURM, BREMEN UND CHRISTIAN WEBER, MÜNCHEN


Die steigenden Anforderungen im Pkw-Bereich an Sicherheit, Komfort und Fahrleistung haben in den vergangenen Jahren zu einer kontinuierlichen Zunahme des Fahrzeuggewichts geführt. Damit eine weitere Entwicklung im Bereich der Fahrdynamik bei gleichzeitiger Reduzierung von CO2-Emissionen und Verbrauch erzielt werden kann, muss diesem Trend durch neue Leichtbauideen begegnet werden. Eine Vielzahl von Werkstoffentwicklungen wurden bisher für den Karosserieleichtbau durchgeführt und erfolgreich großtechnisch umgesetzt, wogegen es im Antriebsstrang zu keiner vergleichbaren Gewichtseinsparung gekommen ist. Hier setzte das Projekt „Leichtbaustähle höherer Beanspruchbarkeit“ des Forschungsverbunds Massiver Leichtbau (www.massiverleichtbau.de) an, mit dem Ziel, Gewichtseinsparungen über den stofflichen Leichtbau zu realisieren.

 

 

 

Ziel der hier beschriebenen Arbeiten war es, Leichtbau von massiv umgeformten Bauteilen im Antriebsstrang durch neu entwickelte und optimierte Werkstoffe sowie eine zielgerichtet darauf angepasste Werkstoffbehandlung zu ermöglichen. Als wesentlicher Gewichtstreiber im Antriebsstrang gilt das Getriebe, dessen Zahnräder wegen der hohen Belastungen in der Regel einsatzgehärtet werden. Die durch solche thermochemischen Wärmebehandlungen erzielbaren Eigenschaftsprofile randschichtgehärteter Bauteile sind in einem breiten Rahmen an die betriebsspezifischen Anforderungen anpassbar und bieten sich damit an, durch eine Abstimmung von Werkstoffauswahl, Verfahrensvariante und Prozessparametern die Leistungsdichte noch weiter zu steigern. Damit finden sich die Inhalte des Projekts in der Schnittmenge von Werkstoff- und Prozessdesign.

Das hier genutzte Wärmebehandlungsverfahren Carbonitrieren, eine Verfahrensvariante des Einsatzhärtens, bei dem zusätzlich zum Kohlenstoff noch Stickstoff in die Randschicht eingebracht wird, wurde in der jüngeren Vergangenheit in der Regel auf klassische Einsatzstähle angewendet. Dabei konnte bei den so behandelten Zahnrädern eine signifikante Steigerung der Zahnflanken- und Zahnfußtragfähigkeit (σHlim und σFlim) erzielt werden. Weiteres Potenzial zur Eigenschaftsverbesserung wird in der Entwicklung von neuen Legierungskonzepten gesehen, die speziell auf ein optimiertes Ausscheidungsverhalten von Carbonitriden bei dieser Wärmebehandlung abgestimmt sind. In erster Linie kommen in diesem Fall die Elemente Aluminium, Niob, Vanadium und Bor in Betracht, die die Kinetik der Ausscheidungsbildung bei Carbonitrierstählen und damit die resultierende Mikrostruktur und die mechanischen Eigenschaften positiv beeinflussen sollen.

Das IGF-Vorhaben „Entwicklung von höchstfesten Stählen für alternative Wärmebehandlungen und für die Kaltmassivumformung von Bauteilen im Kfz-Antriebsstrang“ (IGF-Nr. 24 LN) der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.V. (FOSTA) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) und Leittechnologie-Initiative des Forschungsverbundes „Massiver Leichtbau“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert, wofür die Projektpartner ihren Dank aussprechen. Die Langfassung des Abschlussberichts kann bei der FOSTA, Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf angefordert werden.

Clemens Neipp M.Sc., Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen, Dr.-Ing. Holger Surm, Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien Bremen, Christian Weber M.Sc., Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau der TU München.