Besser Druckgießen mit dem Rheocasting-Verfahren?
Teil 1: Technologie, Vorteile und Voraussetzungen

Bild: Im Rheocasting-Verfahren gefertigtes Test-Gussteil, bei dem Anschnitte aus dem Druckgießverfahren verwendet wurden. FOTO: COMPTECH
VON MAGNUS WESSÉN, STOCKHOLM SOWIE PER JANSSON UND STAFFAN ZETTERSTRÖM, SKILLINGARYD, SCHWEDEN
Beim Gießen im halbfesten bzw. halbflüssigen Zustand besteht die Schmelze aus zwei Phasen: einer festen und einer flüssigen Phase. Die Schmelze weist thixotrope Eigenschaften auf. Das heißt, die Scherkraft nimmt mit zunehmender Schergeschwindigkeit ab. Hierdurch kann die Form mit einem laminaren Strömungsbild gefüllt werden. Dank der turbulenzfreien Füllung entstehen kaum Poren aufgrund von Lufteinschlüssen.
Entscheidend ist auch die Partikelform in der festen Phase. Bedingt durch die Schereigenschaften sind die festen Partikel in der Schmelze nicht dendritisch, sondern rund geformt. Dank der Abwesenheit von Dendriten kann die Schmelze extrem vorteilhaft auf Druck reagieren. Denn Dendriten führen – beim Einsetzen der Erstarrung – zur einer Blockade der Druckverteilung. Hierdurch kann der Gießer deutlich komplexere Formen füllen. Und auch das Nachgießen ist unproblematisch, da keine Schrumpfung durch Erstarrung stattfindet, die zu Lunkerbildung und Defekten wie Undichtigkeiten an den Bauteilen führen könnten.
Für die Herstellung einer halbfesten Schmelze ist es unerlässlich, dass es einen größeren Schmelztemperaturbereich gibt. Aus diesem Grund sind rein eutektische Legierungen nicht für die Herstellung einer teilflüssigen Schmelze geeignet. Das gesamte System basiert auf dem Enthalpieaustausch zwischen den flüssigen und festen Metallbestandteilen der Schmelze. Die Möglichkeit, nicht-eutektische Legierungen zu verarbeiten, ist ein großer Vorteil gegenüber dem klassischen Druckgießen, da diese häufig gewünschten Legierungen nicht für das Druckgießen geeignet sind.
Dieses Semi-Solid-Gießen, erfunden in den 1970er-Jahren, war von Anfang an sehr vielversprechend. Seinen Durchbruch erlebte es jedoch erst relativ spät. Lange reichte die mit dem Druckgießverfahren erzielte Qualität aus, die Anforderungen zum Beispiel der Telekommunikations- und der Automobilindustrie zu erfüllen. Doch die neuen Elektrofahrzeuge und die 5GTechnologie im Telekommunikationsbereich stellen Ingenieure und Konstrukteure vor Aufgaben, die sie nur mithilfe von Semi-Solid-Gießverfahren erfüllen können.
Comptech AB aus Skillingaryd nahe Jönköping ist Hersteller von Rheocasting- Prozesstechnik wie dem sogenannten Rapid Slurry Forming (RSF). Das Unternehmen hat diese Technik seit 2007 in Zusammenarbeit mit Rheometal in Schweden weiterentwickelt und ihr im Jahr 2019 mit der Einführung eines kostengünstigen Verfahrens zum kommerziellen Durchbruch verholfen. Das Verfahren arbeitet stabil, mit einer hochwertigen, teilflüssigen Schmelze mit hohem Festanteil. In gemeinsamer Entwicklungsarbeit mit OEMs etabliert sich das Verfahren nun zunehmend überall in der Welt.
In Teil 2 des Artikels, der in Kürze auf dieser Webseite erscheinen wird, geht es um die Marktbetrachtung, Produktentwicklung sowie den Blick in die Zukunft des Verfahrens.
Über die Autoren
Dr. Magnus Wessén war maßgeblich an der Erfindung des RSF/Rheocasting-Verfahrens im Jahr 2006 beteiligt. Er verfügt über mehr als 20 Jahre F&E-Erfahrung im Bereich Semi-Solid-Casting.
Per Jansson, Gründer und Eigentümer von Comptech AB, hat das RSF/Rheocasting- Verfahren seit 2007 maßgeblich weiterentwickelt. In der Gießerei-Industrie ist er seit 1988 aktiv.
Staffan Zetterström, Leiter Marketing und Sales bei Comptech, arbeitet seit 1998 im Bereich Semi-Solid-Casting und ist mit den meisten auf dem Markt verfügbaren Verfahren vertraut.