Porositätsanalyse mittels Computertomografie

Die neue BDG-Richtlinie P 203

Direct Volume Rendering von per CT detektierten Volumendefiziten in einem Al-Druckgussteil. Foto: ÖGI

 

VON BERND OBERDORFER, DANIEL HABE UND GERHARD SCHINDELBACHER, LEOBEN, ÖSTERREICH


Abhängig vom Gießverfahren, der Legierung und der Schmelzebehandlung, der Gießtechnik und den Prozessparametern, aber auch der Bauteilgeometrie, ist in Gussteilen mit inneren Volumendefiziten wie Poren oder Lunkern zu rechnen. Je nach Einsatz des Bauteils und den damit zu erwartenden lokalen Spannungen ist bereits bei der Entwicklung vom Konstrukteur die maximal zulässige Porosität festzulegen und in der Zeichnung einzutragen. Als vorteilhaft hat sich in der Praxis erwiesen, die Teile in mehrere Bereiche mit z.B. höchster, mittlerer und geringer Beanspruchung einzuteilen. Dementsprechend ist auch in den verschieden beanspruchten Bereichen unterschiedliche Porosität zulässig, ohne dass der Anwendungszweck beeinträchtigt wird.

 

 

Durch die Einbindung der numerischen Simulation können schon frühzeitig, bevor noch ein Werkzeug angefertigt bzw. ein Abguss erfolgt ist, mögliche Problemstellen durch die Formfüllung (Lufteinschlüsse) und Erstarrung (Lunker) erkannt werden. In dieser Phase sind oft noch geometrische Änderungen möglich, um diese Porositätszonen zu vermeiden oder zumindest in Bereiche zu verlagern, die weniger kritisch sind. Damit sind aber auch bereits jene Stellen festgelegt, auf die bei der Qualitätskontrolle besonderes Augenmerk zu legen ist. Auch wenn Prozessparameter in so engen Grenzen wie möglich gehalten werden, ist mit einer gewissen Schwankungsbreite bei Position und Ausprägung von Porositäten zu rechnen. Diesem Umstand muss Rechnung getragen und im Sicherheitsbeiwert berücksichtigt werden.

 

 

VDG-Merkblätter P 201 und P 202

Die Festlegung der lokal zulässigen Porosität in Form von Grenzmustern sollte nach Möglichkeit immer in Zusammenarbeit mit dem Gießer erfolgen, da häufig durch kleine geometrische Anpassungen oder auch die richtige Gestaltung der Anschnitt- und Speisertechnik, bzw. die richtige Temperierung von Kokillen und geeignete Schlichten (isolierend oder wärmeleitend), Einfluss auf die Erstarrung des Gussteils und damit auf die lokale Porosität genommen werden kann. Als Basis zur Vereinbarung zwischen Gießer und Gussanwender über die zulässigen Grenzwerte haben sich in den letzten Jahrzehnten die VDG-Merkblätter P 201 bzw. P 202 etabliert. Darüber hinaus gibt es vielfach gussanwenderspezifische Porositätsvorschriften (z.B. VW-Norm 50093), die sich auf die VDG-Merkblätter beziehen.

In den Merkblättern wird beschrieben, wie die zulässige Porosität in Zeichnungen anzugeben ist und wie die Auswertung an einem metallografischen Schliff zu erfolgen hat. Die Angabe der zulässigen Porosität berücksichtigt die Beanspruchungsart, die maximal zulässige Porosität, den maximalen Porendurchmesser sowie durch Zusätze den Abstand benachbarter Poren, Porennester und die Lage der Poren. Bei der Auswertung wird im Querschnitt des metallografischen Schliffs an der Stelle der höchsten Porosität eine definierte Bezugsgeometrie eingeschrieben, die auf die Bauteilwandstärke maximiert wird und in der der Prozentsatz der Porosität berechnet wird. Diese Methode der Schliffauswertung ist im Zuge der Entwicklung unerlässlich, da damit die Porosität sehr genau ermittelt und zusätzlich auch das Gefüge beurteilt werden kann. Sie hat jedoch den Nachteil, dass es sich um eine zweidimensionale „Momentaufnahme“ einer Ebene handelt und nur wenige Millimeter darunter die Porosität stark abweichen kann. Zudem ist der metallografische Schliff als zerstörendes Verfahren für eine serienbegleitende Prüfung nicht geeignet. Bestenfalls können stichprobenartige Überprüfungen durchgeführt werden.

 

Die neue Richtlinie P 203

In den letzten Jahren hat sich die Computertomografie (CT) zur zerstörungsfreien Prüfung von Gussteilen zunehmend als Standard etabliert und wird auch zur Inline-Prüfung eingesetzt. Es ist davon auszugehen, dass in wenigen Jahren in Gießereien anstelle oder als Ergänzung zu Röntgengeräten CT-Anlagen stehen werden, um von den Vorteilen der genaueren dreidimensionalen Charakterisierung zu profitieren. Damit einhergehend ist aber auch eine einheitliche Basis für die Auswertung, ähnlich den VDG-Merkblättern P 201 und P 202, notwendig. Sowohl was die Aufnahmeparameter und die Güte der CT-Daten als auch die Auswertung der Porosität betrifft, gab es bisher keine einheitliche Vorgehensweise. Aus Mangel an Alternativen wurden und werden die Merkblätter P 201 und P 202 auf CT-Daten angewendet, was eine Verschärfung der einzuhaltenden Porositätsgrenzwerte bedeuten kann, die nicht in den Bauteilanforderungen begründet ist. Bild 2 (s. Gesamtbeitrag unten) veranschaulicht, wie stark eine P 202-Auswertung von der im CT-Datensatz gewählten Ebene in einem Bereich mit scheinbar homogen verteilter Porosität abhängig ist. Je nach Lage des Schnittbilds wird eine Flächenporosität zwischen 0,12 % und 4,66 % ermittelt. Wird hingegen das gesamte Teilvolumen für die Auswertung herangezogen, ergibt sich eine sehr viel aussagekräftigere Porosität PROI von 1,22 %. Dabei wird auch klar, dass Flächenporositätswerte mit Volumenporositätswerten im Allgemeinen nicht identisch und nicht miteinander vergleichbar sind.

Mit der BDG-Richtlinie P 203 „Porositätsanalyse und -beurteilung mittels industrieller Röntgen-Computertomographie“, die in Zusammenarbeit des Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG) mit dem Österreichischen Gießerei-Institut (ÖGI), der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, CT-Dienstleistern, Gießereien und Gussanwendern ausgearbeitet wurde, steht nun ein Leitfaden für die Prüfung von Gussteilen aus Al-, Mg- und Zn-Gusslegierungen mittels CT zur Verfügung. Sie befasst sich neben der genauen Erläuterung innerer Volumendefizite detailliert mit der Messmethode der CT. Dazu gehören die Beschreibung der Detailerkennbarkeit, welche Bildartefakte auftreten und wie sie reduziert werden können, Verfahren zur Segmentierung von Porosität trotz des Auftretens von Artefakten sowie Anlagenqualifizierung und Prüfdurchführung, inkl. Methoden zur Quantifizierung der Bildgüte. Vorteile, die die CT durch den Informationsgewinn in der dritten Dimension hat (wie etwa Porenmorphologie), fanden in Form von verschiedenen Porenparametern Eingang. Dementsprechend wurde ein Porositätsschlüssel zur Vereinbarung von Abnahmebestimmungen und seine Eintragung in Zeichnungen definiert. Festgelegt wird auch, wie die Dokumentation der Prüfung auszusehen hat. Die BDG-Richtlinie P 203 bildet damit eine Basis, wie sich Gießer und Gussabnehmer hinsichtlich Angaben in Zeichnungen und Prüfung der zulässigen Porosität in lokalen Bereichen von Gussteilen verständigen können.

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Oberdorfer, Leitung CT-Labor, Daniel Habe, CT-Labor, Dipl.-Ing. Gerhard Schindelbacher, Geschäftsführung, Österreichisches Gießerei-Institut (ÖGI), Leoben, Österreich.