Neue Perspektiven für Stahl im Niederdruckgießen

OCN-25-Ofensystem von ABP Induction - das Niederdruckgießen stellt eine vielversprechende Alternative für Stahlguss dar. FOTO: TEKA

 

VON MARKUS HAGEDORN, DORTMUND


Für das Herstellen von Stahlgusswerkstoffen ist das Schwerkraftgießen noch immer das marktdominierende Verfahren. Das Prinzip ist einfach und grundsätzlich seit mehreren Jahrhunderten unverändert. Jedoch: In Verbindung mit immer filigraneren und komplexeren Bauteilgeometrien sowie steigenden Qualitätsanforderungen stellen die prozessbedingten Limitationen Gießer und Gießerei-Ingenieure vor große Herausforderungen. Somit ist die Zielgeometrie nur durch hohe Mengen an Kreislaufmaterial mit teilweise gleichzeitig hohen Ausschussraten zu realisieren. Eine Alternative stellt das Niederdruckgießen dar, das mit einem viel kleineren Anguss- und Speisersystem auskommt.

 

Das Niederdruckgießen von Aluminiumbauteilen ist State-of-the-Art, hier sind Anteile des Kreislaufmaterials von weniger als 20 Prozent des Gussteilgewichts erreichbar, beim Schwerkraftgießen sind es 100 Prozent. Die eingesparten Kapazitäten im Schmelzbereich generieren für die Gießereien wertvolle Einspar- bzw. zusätzliche Umsatzpotenziale.

 

In Verbindung mit dem intensivierten Leichtbaugedanken im Automotive-Bereich ist auch der Blick auf dünnwandigen Stahlguss als Material interessant: Verbundmaterialien wie CFK und Leichtbaumaterialien wie Aluminium oder Magnesium weisen zwar ein hervorragendes Leichtbaupotenzial auf, haben gegenüber Stahl aber auch zahlreiche Nachteile. Unter anderem ist der Primärwerkstoff signifikant teurer und die Fügetechnik zu angrenzenden Bauteilen aufwendiger, welche bei Mischbauvarianten zusätzliche Aufwendungen zum Korrosionsschutz erfordert und Reparaturkonzepte verteuert. Auch eignen sich Materialien wie Aluminium nicht für alle Gussteile (z.B. Turboladergehäuse). Durch die Möglichkeit, Stahl im Niederdruckguss lastgerecht und dünnwandiger herstellen zu können, kann der Werkstoff einen wesentlichen Vorteil ausspielen: In den gängigen und weltweit verfügbaren Verfahren der Endmontage und auch bei Reparaturen ist er einfach zu handhaben. Deswegen lohnt sich der Blick auf die Stahlverarbeitung im Niederdruck-Gießverfahren.

Ein wesentlicher Vorteil, den das Niederdruckgießen mit sich bringt, ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet, das kleinere Anguss-/Speisersystem und damit die geringere Menge an Kreislaufmaterial. Weniger Kreislaufmaterial bedeutet aber nicht nur, dass weniger Einsatzmaterial benötigt wird und die Erzeugungskosten sinken, sondern auch, dass die Kosten der nachgelagerten Prozessschritte (Separieren, Putzen, Entgraten …) deutlich reduziert werden. In der Aluminiumverarbeitung steigt auch deswegen der Anteil am Niederdruckguss stetig. Schwerkraftgießen im Aluminiumbereich wird heute für deutlich unter 50 Prozent der Bauteile eingesetzt.

Durch das Niederdruckstahlgießen eröffnet sich die Möglichkeit, auch mit diesem Werkstoff dünnwandiger zu gießen. „Im Automobilbau rücken dadurch sowohl Strukturbauteile als auch Knotenelemente im Bereich Chassis und Achskomponenten direkt in den Fokus“, erklärt Dipl.-Ing. F.-J. Wöstmann, Abteilungsleiter Gießereitechnologie und Leichtbau beim Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM). Seiner Einschätzung nach kann Stahl bei der Möglichkeit einer dünnwandigen Herstellung seine Kombination aus hoher Festigkeit, Duktilität und Steifigkeit ausspielen. Dabei gilt das seiner Einschätzung nach nicht nur für den Pkw-, sondern auch für den Nutzfahrzeugbereich. Hier ergibt sich der zusätzliche Vorteil, dass die steiferen Strukturen höhere Nutzlasten erlauben und somit auch im Betrieb effizienter und ressourcenschonender sind.

Im Maschinen- und Anlagenbau kämen diverse Maschinenkomponenten bis hin zu den Antrieben, insbesondere für Hochdrehmomentmotoren infrage, die wiederum in Zukunft auch im Automobilbau Anwendung finden. Das Niederdruckgießverfahren ist hier nicht nur auf dünnwandige Leichtbaukomponenten beschränkt. Die wesentlichen Vorteile, wie z.B. die turbulenzarme Formfüllung, die verringerten Anschnitt- und Speisersysteme sowie die einstellbaren und reproduzierbaren Gießbedingungen sind gleichermaßen interessant für nahezu alle weiteren Anwendungsgebiete im Stahlguss. Das IFAM hat bereits zwei Prototypenanlagen aufgebaut und entwickelt diese für den Einsatz im Stahlguss weiter. Dadurch besteht für Interessenten die Möglichkeit, eigene Bauteile im Niederdruckguss zu erproben, ohne den Randbedingungen und Restriktionen einer laufenden Produktion zu unterliegen. Dadurch besteht erstmals die Möglichkeit, die technischen und wirtschaftlichen Vorteile des Verfahrens nicht nur zu simulieren.

Markus Hagedorn, Sales Manager Liquid Metals, ABP Induction

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