Vom Wärmezentrum zum abgesicherten Bauteilverhalten

Vom Wärmezentrum zum abgesicherten Bauteilverhalten

Vorhersage der Bauteil-Lebensdauer aufgrund lokaler Wöhlerkurven. FOTO: MAGMA

 

VON CORINNA THOMSER, MATHIAS BODENBURG UND JÖRG C. STURM, AACHEN

 

Die Gießprozess-Simulation wurde in ihren Anfängen häufig als „Erstarrungssimulation“ bezeichnet, da zunächst nur die Vorhersage der Erstarrung und der Abkühlung des Gussteils durch die Berechnung der Wärmeleitung möglich war. Erstes Ziel der computergestützten Prozessauslegung war damals die Vorhersage von lokalen thermischen Zentren, um die Position und Größe von Speisern sicher bestimmen zu können.
 

 

Mit den kontinuierlichen Entwicklungen in den letzten dreißig Jahren wurde der gesamte Prozess des Gießens und Erstarrens berechenbar. Heute können das Strömungsverhalten der Schmelze beim Füllen der Form genauso simuliert werden wie die bei der Erstarrung und Abkühlung lokal entstehenden Gefüge inkl. der damit verbundenen mechanischen Eigenschaften. Warm- und Kaltrisse sowie der Verzug von Gussteilen können über die Simulation der Eigenspannungen vorhergesagt werden. Über den Gießvorgang hinaus sind die simulationsgestützte Herstellung von Kernen und die Berechnung des Verhaltens von Sandkernen beim Gießen (Ausgasen) sowie das Einstellen von geforderten Gefügen durch eine Wärmebehandlung heute Stand der Technik der Gießprozess-Simulation.

Seit langem diskutieren Gießer und Gussteilabnehmer, wie lokale Gusseigenschaften, die aus dem unterschiedlichen Erstarrungsverhalten resultieren, nicht nur als Risiko, sondern auch als Chance für den Leichtbau genutzt werden können. Der klassische Ansatz für die Auslegung von Gussbauteilen geht von homogenen Gefügen und damit verbundenen homogenen Materialeigenschaften aus. Darüber hinaus werden die Eigenspannungen aus dem Gießprozess auch nicht berücksichtigt. Diese Herangehensweise führt in der Regel zu großen Sicherheitszuschlägen bzw. Überdimensionierung und verhindert die systematische Erschließung und Nutzung des Werkstoffpotenzials. Hier bieten die Möglichkeiten der Gießprozess-Simulation mit der Vorhersage von quantitativen lokalen Materialkenngrößen (Gefüge, Eigenschaften, Eigenspannungen) große Potenziale für die betriebstechnische Auslegung von Bauteilen. Die aktuellen Möglichkeiten werden in den folgenden Anwendungsbeispielen vorgestellt.


Dr.-Ing. Corinna Thomser, Dipl.-Ing. Mathias Bodenburg und Dr.-Ing. Jörg C. Sturm, MAGMA Gießereitechnologie GmbH, Aachen