BDI-Studie Klimapfade 2.0

Mächtiger Industrie-Aufschlag perfekt getimet

 

Pünktlich zu den Koalitionsverhandlungen hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Studie „Klimapfade 2.0“ vorgestellt und den künftigen Koalitionären damit Leitplanken für die Erfordernisse mitgegeben. Bis 2030, so eine Kernaussage, sind Investitionen von zusätzlich rund 860 Milliarden Euro erforderlich. Was die Studie so wertvoll macht: Die Perspektive des energieintensiven Mittelstandes, wie ihn die deutsche Gießerei-Industrie verkörpert, hat der BDG intensiv eingebracht.

 

Das sind die Eckpunkte der Studie: Rund sechs Monate lang haben 150 Experten und Expertinnen aus 80 Verbänden und Unternehmen unter der Federführung des BDI sowie der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) in 30 Workshops erarbeitet, wie der Weg von Deutschlands Industrie in die Klimaneutralität aussehen kann. Federführend für den BDG beteiligt war Dr. Christian Schimansky, Experte für Energie- und Umweltthemen, der im folgenden Text wesentliche Inhalte der Studie nennt.

 

BDI veröffentlicht Klimapfade 2.0-Studie

Der BDG hatte bereits bei der letzten Klimapfadestudie 2018 des BDI mitgewirkt. Sehr knapp zusammengefasst war diese Studie die CO2-Einsparpotenziale sektorübergreifend und aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu dem Ergebnis gekommen, dass der deutsche CO2-Ausstoß bis 2050 um bis zu 80% gesenkt werden könnte, ohne dass dafür neue Technologien erfunden werden müssten. Voraussetzung für diese Reduktion ist jedoch, dass das Klimaschutzniveau weltweit in gleichem Maße ambitioniert ist und so die Transformationskosten in allen Ländern anfallen („Level Playing Field“).

Die Klimapfadestudie 2.0 wird nun wesentlich stärker auf die Eignung klimaschützender Instrumente eingegangen und dabei die betriebswirtschaftliche Ebene in den Blick genommen. Wieder hat der BDG aktiv mitgewirkt, bei der Erstellung der Studie vor allem die Sichtweise des energieintensiven Mittelstandes eingebracht und dabei betont,

  • dass das produzierenden Gewerbe „end-of-the-pipe“ sitzt und deswegen die Klima­­transformation auf der Verbraucherseite nur gelingen kann, wenn der Transformation vorher (1) die Energieversorgung mit grünem Strom, Wasserstoff, Biomasse und Biogas sicher und (2) die benötigte (Leitungs-)Infrastruktur zur Verfügung stellt,
  • dass der Technologiepfad einer 100%igen Elektrifizierung ist für die Gesamtbranche derzeit technologisch-finanzielle nicht absehbar, in einigen Bereichen werden weiterhin Brennstoffe benötigt,
  • dass die notwendigen Investitionen für die meisten Betriebe nur mit hohen öffentlichen Finanzierungsbeihilfen möglich sein werden,
  • dass alle technischen Veränderungen zügige Genehmigungs- und schlanke Kontrollverfahren benötigen, so dass vor allem administrative Hürden abgebaut werden müssen,
  • dass die durch den BDG seit Jahren gestellte Forderung der Streichung staatlich induzierter Stromkostenanteile aufgenommen wird.

 

Die Studie betont, dass Deutschland vor der größten Transformation seiner Nachkriegsgeschichte steht und die Industrie zentraler Wegbereiter für erfolgreichen Klimaschutz sein muss, wofür jedoch Ihre Wettbewerbsfähigkeit geschützt werden muss. Der BDI hebt zur Studie als zentrale Punkte hervor:

  • Grundsätzlich ist in den meisten Bereichen die erforderliche Technologie vorhanden, in Frage steht aber deren Wirtschaftlichkeit und/oder Verfügbarkeit im industriellen Maßstab verfügbar. Hierzu besteht bis 2045 noch ein erheblicher Forschungs- und Innovationsbedarf.
  • Die Studie errechnet bis 2030 einen Bedarf von 860 Mrd. Euro Mehrinvestitionen.
  • Fehlt der Zugang zu klimafreundlichen Energien (Grünstrom, Wasserstoff), sind steigende CO2-Preise nur finanzielle Belastung ohne Klimaschutzwirkung.
  • Der benötigte Infrastrukturausbau (Strom-, Wasserstoff-, Fernwärme- und CO2-Netze, Lade- und Wasserstofftankinfrastruktur, Verkehrswege, v. a. Schiene) wird einen Mehraufwand von von 145 Mrd. Euro, notwendig machen.
  • Neben den Kapitalkosten verhindern vor allem die deutlich höheren Betriebskosten klimafreundlicher Technologien Neuinvestitionen in der Industrie. Wenn die Nutzungskosten 
  • CO2-armer Produktionsverfahren und Energieträger nicht wettbewerbsfähig gemacht werden, wird der Ersatz fossiler Energieträger und Prozesse nicht gelingen.
  • Der Strompreis ist einer der Haupthindernisse für die Elektrifizierung, weswegen eine staatliche Kofinanzierung der Netzentgelte, eine vollständige Abschaffung der EEG-Umlage, die Verlängerung des Spitzenausgleichs sowie verlässliche Betriebskostenzuschüsse für den Markthochlauf von Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen gefordert wird.
  • Administrative Verzögerungen sind mit den ehrgeizigen Klimaziele unvereinbar, weshalb nicht weniger als eine Revolution bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine erhebliche Verkürzung von Gerichtsverfahren zu Infrastrukturprojekten notwendig werden.
  • Sämtliche Instrumente müssen wettbewerbsneutral umgesetzt werden. Carbon Leakage Schutz kann zum Beispiel über mehr freie Zuteilungen und eine Strompreiskompensation im EU ETS sichergestellt werden. Daneben sind auf EU-Ebene auch die beihilferechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise durch die Zulassung von Betriebskostenzuschüssen.

 

Links zur Studie: