BDG-Roadmap zur Treibhausgasneutralität

Die Branche kann die Klimaziele erreichen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen

 

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden, und die Branche muss sich darauf vorbereiten. Der BDG hat hierfür vier Transformationspfade erarbeitet, die er in der Roadmap „Treibhausgasneutralität für die deutsche Gießerei-Industrie“ vorstellt. In Zusammenarbeit mit der renommierten Münchner Unternehmensberatung FutureCamp Climate wurden zudem für jeden Transformationspfad die energie-, CO2- und kostenrelevanten Aspekte modelliert. Die Branchenroadmap steht exklusiv für BDG-Mitglieder im Extranet als Langversion zur Verfügung. Mithilfe der Kurzfassung können sich Gießereien einen kompakten Überblick über mögliche Wege zur Treibhausgasneutralität verschaffen. Diese Version der Roadmap ist so konzipiert, dass sie gleichzeitig für die Kommunikation mit Investoren, Kunden, Gesellschaft und Politik nutzbar ist. Sie dokumentiert die Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft des jeweiligen Unternehmens genauso wie der gesamten Branche. Treibhausgasneutralität ist – dieses Ergebnis der Studie stellt die Kurzfassung besonders pointiert heraus – nur unter Bedingungen zu erreichen, die außerhalb der Branche liegen und von der Politik gestaltet werden müssen. Die Kurzfassung der Roadmap steht deswegen jedem Interessierten hier als Download zur Verfügung. Sie ist ausdrücklich zur Verbreitung gedacht - auch und vor allem durch die BDG-Mitgliedsunternehmen.


Modellgießereien und Modellierung

DIE Gießerei-Industrie gibt es nicht. VIelmehr sind die Prozesslandschaften der mehr als 500 Standorte in Deutschland höchst divers und kaum vergleichbar. Deshalb beginnt die Studie mit einer Clusterung der Gießereien, die zugleich das Fundament der umfangreichen Modellierung zu den Transformationsszenarien bildet. Der BDG hatte dafür mit dem geförderten Projekt InnoGuss wichtige Vorarbeit geleistet. Entscheidende Kriterien, nach denen sich Gießereien gliedern lassen, sind die verarbeiteten metallischen Werkstoffe und die maßgeblich davon abhängigen Fertigungsprozesse, die eingesetzten Technologien und Energiebedarfe. Primäres Kriterium sind die metallischen Einsatzstoffe: Eisenwerkstoffe (Stähle und Gusseisenlegierungen) und Nicht-Eisenwerkstoffe (Leicht- und Schwermetalle, wie z.B. Aluminium und Magnesium sowie Kupfer und Zink). Das zweite Kriterium für die Clusterung bildet der Schmelzprozess als energieintensivster Verfahrensschritt. Dabei kann zwischen verwendetem Schmelzaggregat und eingesetztem Energieträger unterschieden werden: Öfen mit fossilen Brennstoffen, wie Kupolöfen (Koks) sowie Schacht- und Tiegelöfen (Gas und Öl), oder elektrisch betriebene Schmelzanlagen, wie Induktionsöfen, Lichtbogenöfen und widerstandsbeheizte Tiegelöfen. Die deutschen Gießereien wurden mithilfe dieser Merkmale in sechs Modellgießereien geclustert:

  • Modellgießerei 1: Eisengießerei mit Serienfertigung und Heißwindkupolofen
  • Modellgießerei 2a: Eisengießerei mit Induktionsofen
  • Modellgießerei 2b: Eisengießerei mit Kaltwindkupolofen
  • Modellgießerei 3: Stahlgießerei mit Lichtbogen- oder Induktionsofen
  • Modellgießerei 4: NE-Metall-Druckgießerei
  • Modellgießerei 5: Aluminium-/Bundmetallgießerei mit Kokillen- oder Sandguss

Einzelheiten zu den Modellgießereien und der Modellierung sind den Seiten 5 und 6 der Kurzfassung zu entnehmen.


Die vier Transformationspfade

Jede Gießerei arbeitet mit innovativen Methoden an der Steigerung ihrer Energieeffizienz, indem sie ihren Standort ganzheitlich und prozessübergreifend betrachtet. Der mit Abstand energieintensivste Prozess ist der Schmelzbetrieb. An dieser Stelle setzt die Roadmap an und arbeitet heraus, mit welchen Technologien und Energieträgern die Erreichung der Treibhausgasneutralität wirtschaftlich gelingen kann. Die Studie fokussiert auf direkte Treibhausgas-Emissionen des Unternehmens (Scope 1) und berücksichtigt zudem die indirekten Emissionen aus dem Einkauf von Energie (Scope 2). Deren Dekarbonisierung liegt allerdings außerhalb der Einflussmöglichkeit der Branche. Indirekte Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen in der Wertschöpfungskette (Scope 3) gehen nicht in die Betrachtung ein.


Fazit

Bereits heute steht fest, dass für die meisten Gießereien die Elektrifizierung der Thermoprozesse der „Königsweg“ zur Dekarbonisierung ist. Für nahezu alle Prozessschritte im Hochtemperaturbereich sind strombetriebene Aggregate heute Stand der Technik. Für Gießereien mit Heißwindkupolofen stehen – unter anderem als Übergangslösung – verschiedene Wege zur Reduzierung von CO2-Emissionen offen. Die Betrachtung der Verfügbarkeit von erforderlichen Energieträgern, vom Reifegrad der Technologie und von deren Potenzial zur Treibhausgasminderung legt jedoch den Schluss nahe, dass auch für diese Unternehmen langfristig vieles für eine Elektrifizierung spricht. Auf Seite 22 der Kurzfassung sind Pro- und Kontra pointiert zusammengefasst. 

Damit die Treibhausgasneutralität der Gießerei-Industrie erfolgreich und zu wettbewerbsfähigen Bedingungen gelingen kann, ist die Politik gefragt. Auf dieser Ebene müssen Weichenstellungen erfolgen, die geeignete Rahmenbedingungen und Planungssicherheit für die Gießereien schaffen. Im Fokus stehen insbesondere die Faktoren, welche die Verfügbarkeit bezahlbarer und treibhausgasneutraler Energie betreffen, nämlich:  

  • die Nutzung von hochwertigen Emissionsgutschriften aus internationalen Klimaschutzprojekten gem. Artikel 6 Pariser Abkommen in Höhe von bis zu 3 Prozent der EU-Netto-Emissionen von 1990 ab 2036
  • die Möglichkeit der Anrechnung von permanenten CO2-Entnahmen (z.B. Bio-CCS, Direct Air Capture and Storage) im Rahmen der Carbon Removals and Carbon Farming Regulation (CRCF) innerhalb des EU-Emissionshandels (EU-ETS) zum Ausgleich von Residualemissionen; die Entnahmen müssen dabei in Europa erfolgen
  • eine größere Flexibilität zwischen den Sektoren, um Reduktionsziele kosteneffizient zu erreichen
  • die Schaffung eines „level playing field“ mit internationalen Partnern zum Schutz vor Carbon Leakage und des Industriestandorts EU
  • die Vereinfachung des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM)

Die Roadmap als Marketingtool für Gießereien

Die Kurzfassung der Roadmap fasst dies faktenbasiert und kompakt zusammen und ist daher nicht nur für den eigenen schnellen Überblick, sondern auch als Argumentationshilfe gegenüber Investoren, Politik und weiteren Stakeholdern geeignet. 

Transformationsmaßnahmen gibt es nicht zum Nulltarif. Vielmehr sind sie mit erheblichem finanziellem Aufwand verbunden, der für mittelständische Unternehmen kaum zu realisieren ist. Erforderlich sind also Fördermöglichkeiten in Form von Zuschüssen und anderweitigen Finanzierungsprogrammen. Einen Überblick über erforderliche Investitionsparameter bietet eine Tabelle zum Download. Sie zeigt die jeweiligen Investitionskosten je Modellgießerei und Maßnahme als Durchschnittswert pro Gießereityp. Die Volumina ergeben sich aus der Anzahl der umgerüsteten Anlagen im Zeitraum und dem CAPEX pro Anlage bei Umsetzung der Maßnahme. Für zusätzliche Betriebskosten wurden vereinfachend 10 Prozent der Investitionskosten angenommen. 

Auch für die pro Transformationspfad anzuwendenden Techniken steht eine tabellarische Übersicht als Download zur Verfügung.


Ergänzende Literatur

Der BDG engagiert sich seit vielen Jahren im Rahmen von Forschungsprojekten und branchenübergreifenden Aktivitäten bei der Erarbeitung praxisnaher Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele. Unter anderem als Gründungsmitglied des Industriepaktes der NRW-Landesinitiative IN4climate beteiligt sich der Verband an der Erarbeitung weiterer Studien, die sich mit der Konzeptionierung technischer Lösungen zur Minderung von Treibhausgasen im energieintensiven industriellen Mittelstand befassen. Es ist lohnenswert, sich von dem umfangreichen Spektrum an wissenschaftlichen, technischen und politischen Fakten und Hintergrundinformationen zum Mega-Thema Transformation inspirieren zu lassen.

  • IN4climate.NRW (Hrsg.): Wettbewerbsfähigkeit und Klimaneutralität: Modelle und Handlungsempfehlungen für die Industrietransformation in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 2025Download
  • Umweltbundesamt TEXTE 161/2023: CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung, Dessau 2023Download
  • Fraunhofer ISI: CO2-neutrale Prozesswärme durch Elektrifizierung und Einsatz von Wasserstoff, Karlsruhe 2024 Download