Forderungen an die Politik

 

Für die Unternehmen der deutschen Gießerei-Industrie sind Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen ökonomisch sinnvoll, ja notwendig – können doch selbst Maßnahmen mit hohen Investitionskosten aufgrund eingesparter Betriebskosten perspektivisch rentabel sein. Es gibt jedoch Faktoren, auf die die Branche keinen Einfluss hat. Diese Rahmenbedingungen müssen vielmehr auf politischer Ebene geschaffen werden. Sie sind Voraussetzung, damit die Branche angesichts der mit den genannten Investitionen verbundenen Risiken ihrer Verantwortung gegenüber ihren Stakeholdern gerecht werden kann.

Energiekosten und CO2-Preise: Die aktuellen Stromkosten in Deutschland stellen ein Hemmnis für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie dar. Aufgrund nationaler Regelsetzung ist ein weiterer Anstieg der Energiekosten und CO2-Preise in Deutschland bis 2050 zu erwarten. Es ist Aufgabe der Bundespolitik, für ein Level Playing Field zu sorgen, welches deutsche Gießereien vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber Unternehmen in Ländern mit geringeren Umwelt- und Sozialauflagen schützt. Eine Produktionsverlagerung aufgrund mangelnder Standortattraktivität ist für die mittelständischen Unternehmen weder wirtschaftlich noch ökologisch und sozial erstrebenswert. 

Strom aus erneuerbaren Quellen muss deshalb nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch zu wettbewerbsfähigen Kosten zur Verfügung stehen. Zum einen müssen Großhandelspreise durch ein ausreichendes Stromangebot, Speicherkapazitäten und wirtschaftliche Lösungen für das Management von Spitzenlasten auf ein geringeres Niveau gebracht werden. Zum anderen muss die Politik den steigenden Netzentgelten nachhaltig entgegenwirken. 

Zudem benötigen die Unternehmen finanzielle Unterstützung bei der Schaffung der erforderlichen Netzanschlüsse. Diese nicht zu unterschätzende Kostenkomponente wurde in dieser Roadmap nicht berücksichtigt. Sie sollte jedoch bei der finanziellen Förderung von Elektrifizierungsmaßnahmen beachtet werden.

Versorgungssicherheit – Infrastruktur für Wasserstoff, Strom, CO2: Die vollständige Transformation der Gießerei-Industrie vollzieht sich über die Elektrifizierung ihrer Thermoprozesse. Nicht nur die vollständige Elektrifizierung der Schmelzanlagen in Pfad 2, sondern auch die diesbezüglichen Maßnahmen der anderen Transformationspfade resultieren in erhöhten Strombedarfen. Da die Branche somit in Zukunft in höherem Maße Netzstrom beziehen wird, ist ihre Dekarbonisierung eng mit der des gesamten Stromsystems verbunden. Der Erfolg der Transformation der deutschen Gießerei-Industrie hängt also wesentlich davon ab, dass Deutschland seine Ziele zur Energiewende bis 2035 erreicht und den erforderlichen Ausbau aller erneuerbaren Energieträger und der notwendigen Speicherkapazitäten gewährleistet. Grüner Strom muss überall, in ausreichender Menge und jederzeit zur Verfügung stehen. 

Viele der mittelständischen Gießereien sind historisch bedingt eher nicht in städtischen Ballungsgebieten oder Industrieparks angesiedelt. Für diese Standorte bedingt die Elektrifizierung von Prozessen einen infrastrukturellen Ausbau, zum Teil sogar die komplette Neuinstallation des erforderlichen Netzanschlusses. Dafür müssen regionale Verteilnetze ausreichend dimensioniert sein, um die zusätzlichen Strombedarfe realisieren zu können. Eine frühzeitige Einbindung der Gießereien in lokale Netzplanungsprozesse kann dazu beitragen, Bedarfe adäquat und frühzeitig zu berücksichtigen.

Die Nutzung von Wasserstoff ist als Option für die Transformation zwar regulatorisch festgelegt. Es sind jedoch noch viele Fragen zu Verfügbarkeit, Zugangsperspektive und Zugangskosten sowie zur schaffenden Wasserstoffinfrastruktur zu klären. In den Pfaden 3 und 4 wären große Wasserstoffmengen nicht nur für die direkte Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, sondern auch für die Nutzung von CO2 zur Methanolsynthese (CCU) erforderlich. Die Verfügbarkeit des benötigten Wasserstoffbedarfs ist derzeit weder vor- noch darstellbar. 

Regulatorische Planungssicherheit für Biomasse und CCU: Die anteilige Nutzung von Biokoks und CCU in Gießereien mit Heißwindkupolöfen könnte mehr als eine Brückentechnologie darstellen – sie böte vielmehr eine weniger investitionsintensive Lösung zur Emissionsminderung in Heißwindkupolöfen, bevor diebetroffenen Standorte Maßnahmen zur Elektrifizierung durchführen. 

Voraussetzung hierfür ist allerdings die schnellstmögliche Klärung des rechtlichen Zulässigkeit. Die regulatorische Grundlage hierfür bildet die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2023/2413 „RED“) sowie deren Umsetzung in das nationale Regelwerk. Darin wird eine thermische Nutzung hochwertiger Biomasse äußerst restriktiv gehandhabt. Zudem besteht bereits heute eine hohe Nutzungskonkurrenz um die in Deutschland verfügbare nachhaltige Biomasse.

Die Bundesregierung sollte regulatorische Unsicherheiten um den Einsatz von Biokoks schnell auflösen und mit einer klaren Entscheidung Planungssicherheit herstellen. Zur Klärung der Optionen sollte z.B. die Nationale Biomassestrategie fertiggestellt und mit künftigen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung abgestimmt werden.

Rohstoffsicherheit: Als eher rohstoffarmes Land wird Deutschland auch zukünftig abhängig vom Import von Rohstoffen und Energieträgern sein. Eine gesicherte Versorgung mit Rohstoffen ist jedoch essenziell für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Gießerei-Industrie. Essentiell wichtige Handlungsfelder für die Branche sind hierbei die Verfügbarkeit von sekundären und primären Rohstoffen (insbesondere von Schrotten, Primärmetallen und Roheisen) sowie von Kohlenstoff als Aufkohlungsmittel.

Die Bundesregierung ist aufgerufen, handelspolitisch strategische Weitsicht zu beweisen, um eine Benachteiligung der heimischen Produktion gegenüber dem Weltmarkt zu vermeiden. Betroffen hiervon sind Zölle, Sanktionen sowie sonstige Handelsrestriktionen, Bündnisse und den Schutz von Deutschland als zuverlässigem Produktionsstandort. Damit dessen Gießereien auch zukünftig die Global Player der Fahrzeugindustrie und des Maschinen- und Anlagenbaus zuverlässig beliefern können.