Explodierende Beschaffungskosten bei Rohstoffen erfordern intensivere Kunden-Lieferanten-Beziehungen

Auswirkungen der Russlandsanktionen auf die deutsche Gießerei-Industrie

For english version please click here

17. März 2022

Der Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie e.V. (BDG) verurteilt den Angriffskrieg auf die Ukraine auf das Schärfste und begrüßt die Sanktionen gegen Russland. Ergänzend betont der Branchenverband den Ernst der Lage und fordert die Abnehmer auf, ihre Beziehung zu ihren Guss-Lieferanten zu stärken und Risiken gemeinsam zu tragen, um den Erhalt der Wertschöpfungskette in Deutschland zu sichern. Die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland belasten Gießereien in einem noch nie da gewesenen Ausmaß. Sie sind für den gesamten Industriezweig am Wirtschaftsstandort Deutschland existenzbedrohend.

 

Die Lage für die Gießereien ist fatal: Die wirtschaftlichen Folgen bei bestehenden Verträgen mit den Kunden sind für die Gießereien verheerend. Die Einkaufsentscheidungen der Gießereien basieren zurzeit in großem Maß auf Spekulationen. Daher ist es besonders wichtig, dass die Kunden-Lieferanten-Beziehungen eine neue Qualität bekommen. Es ist dringend erforderlich, dass sich Gießer und ihre Kunden an einen Tisch setzen und die zukünftigen Beschaffungssituation der Gießerei gemeinsam diskutieren und gemeinsam die wirtschaftlichen Risken tragen. Und zwar weit über bereits bestehende Material-preisanpassungsklauseln hinaus. In vielen Fällen wird es notwendig werden, dass sich Gießereien und Abnehmer produkt-, auftrags- und sogar chargen-bezogen eng abstimmen. Es wird Zeit, dass alle Parameter benannt und disku-tiert werden:

  • Braucht der Kunde das Gussteil wirklich zum vereinbarten Termin?
  • Können die Anforderungen an das Gussteil materialsparend verändert werden?
  • Braucht der Gießer wirklich alle Einsatzstoffe in den geplanten Mengen zur Herstellung der gewünschten Eigenschaften des Gussteils?
  • Muss das Vormaterial sofort gekauft werden oder reicht auch eine Be-schaffung zu einem späteren Zeitpunkt?
  • Wohin entwickelt sich der Preis für das Einsatzmaterial noch?
  • Ist demnächst noch genug Material verfügbar?
  • Wie fällt die gemeinsame Bewertung der Alternativen in der Rohstoffbe-schaffung aus?

 

Das sind nur einige Fragen, die in der derzeitigen Rohstoffsituation gemeinsam diskutiert werden sollten. Diese Vorgehensweise soll das Verständnis der Situ-ationen untereinander fördern. Am wichtigsten ist aber die Sicherstellung der Überlebensfähigkeit der Deutschen Gießerei-Industrie und damit der Erhalt der kompletten Wertschöpfungskette am Standort Deutschland.

 

Zum Hintergrund:

Ausgelöst durch den kriegerischen Angriff Russlands auf die Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen gelten für viele Einsatzstoffe, die weltweit zugekauft werden derzeit Höchstpreise. Dazu zählen für die Gießerei-Industrie wichtige Rohstoffe wie u.a. Aluminium, Nickel, Zink, Magnesium und metallische Einsatzstoffe. Viele bestehende Rahmenverträge zur Lieferung von Materialien sind ausgesetzt. Die Angebotsbindung besteht zunehmend nur noch aus wenigen Stunden oder sogar Minuten.

Besonders dramatisch ist derzeit die Situation für die Eisen- und Stahl- gießereien beim Gießereiroheisen. Das in deutschen Gießereien eingesetzte Roheisen stammt zu ca. 25 Prozent aus Russland. Diese Lieferungen brechen nun plötzlich und vollumfänglich weg. Jeder Versuch, das fehlende Roheisen durch andere Quellen weltweit zu ersetzen, zeigt, wie stark Angebot und Nach-frage bisher ausgeglichen waren. Es fehlt schlichtweg an lieferfähigen Alterna-tiven. Letztlich gipfelt der weltweite Engpass, bisher in einer Verdoppelung bis fast einer Verdreifachung des Roheisenpreises. Ein Ende der Preissteigerungen ist noch nicht absehbar, schlimmer noch: auch Schrott wird in diesem Zusammenhang deutlich knapper und damit teurer werden. Aktuell verteuert sich Schrott um nahezu 100% auf Jahresbasis. Teilweise gibt es überhaupt keine Lieferzusagen mehr. Das dringend benötigte Material fehlt.

Die russische Invasion der Ukraine führt auch zu erheblichen Störungen in der weltweiten Logistik. Hunderte von Schiffen sitzen in den Häfen fest, Ladungen müssen umgeleitet werden, und die Frachtraten schnellen nach oben. Limitiert sind auch die LKW-Frachtfahrten. Hier fehlt es jetzt an Personal, so dass sich Lieferungen verzögern oder komplett entfallen. Darüber hinaus verteuern die immens gestiegenen Dieselpreise den Frachtkilometer deutlich.

Neben diesen Materialengpässe kämpfen die Gießereien mit steigenden Energiekosten, fehlendem Personal und Materialkostensteigerungen, die andere Ursachen haben. Aufgrund der geringen durchschnittlichen Umsatzrenditen in der Branche führen die umfassenden Kostenbelastungen teilweise zu Überlegungen, die Produktion erheblich einzuschränken oder sogar ganz stillzulegen.
Bei vielen Rohstoffen und Einsatzmaterialien wird der Beschaffungsengpass nicht von kurzer Dauer sein und ausgleichende Effekte werden nicht zum Tragen kommen. Einerseits werden Angebotsengpässe, die durch den Lieferausfall Russlands zustande gekommen sind, nicht dadurch entspannt, dass sich diese Quelle in absehbarer Zukunft wieder öffnet. So wird es auf lange Zeit nicht mehr möglich sein, Rohstoffe aus Russland zu beziehen. Andererseits werden die verbleibenden Marktteilnehmer in einigen Bereichen nicht in der Lage sein, durch kurzfristige Produktionsanpassungen die veränderte Nachfragesituation zu bedienen.

 

Laden Sie hier das Mitgliederrundschreiben des BDG herunter.

For english version please click here