Erschließung des Leichtbaupotentials von hochsiliziumhaltigem Gusseisen mit Kugelgraphit

Ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF: IGF 19769 N

Forschungseinrichtungen:

  1. Gießerei-Institut der RWTH Aachen

 Laufzeit: 01.01.2018 bis 30.11.2020

 

Zielsetzung

Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens soll die Anwendung der hochsiliziumhaltigen GJS-Werkstoffe im Leichtbausektor vorangetrieben werden, indem eine systematische Untersu-chung der Gieß- und Erstarrungseigenschaften mittels dünnwandiger Probengeometrien durchgeführt wird (siehe Bild 1a). Hierdurch soll eine kritische Wanddicke bezüglich der Formfüllung sowie der Eigenschaften des Gefüges ermittelt werden. Zudem soll eine Optimierung des Speisereinsatzes beim Gießen dieser Werkstoffe in dickwandigen Gussteilen erreicht werden. Hierzu werden die Expansions- und Kontraktionseffekte während der Erstarrung experimentell und durch Simulation erforscht sowie das in dickwandigen Gussteilen auftretende Porositätsvolumen quantitativ analysiert, um den Speisungsbedarf zu quan-tifizieren und ein mögliches Prozessfenster für das speiserlose Gießen zu erhalten. Die hier-für benötigte Probengeometrie, bestehend aus zahlreichen Gussteilen mit verschiedenen thermischen Moduln, soll nach Möglichkeit in ein einzelnes Gießsystem integriert werden, um gleiche Füllbedingungen zu gewährleisten (siehe Bild 1b). Es wird der Einfluss der Gießtemperatur und der Impfung auf die Gießeigenschaften aller hochsiliziumhaltigen so-wie eines konventionellen GJS-Werkstoffes untersucht.

 

Ergebnisse

Um zum Projektabschluss eine Speiser- und Wandstärkenreduzierung für die Gusseisensorten EN-GJS-450-18, EN-GJS-500-14 und EN-GJS-600-10 anzuwenden, ohne die Belastbarkeit des Bauteils negativ zu beeinflussen, sind gießtechnologischen Eigenschaften dieser Werkstoffe zu gewährleisten, die eine porenfreie Herstellung hoher Wandstärken bei minimalem Speisereinsatz und eine genaue Abbildung eines dünnwandigen Formhohlraums garantieren. Dazu wurden Untersuchungen besteht aus einer systematischen Analyse der Gieß- und Erstarrungseigenschaften unter Berücksichtigung der relevanten Prozessparameter wie Siliziumgehalt, Gießtemperatur und Impfzustand durchgeführt. Ergänzend zu diesen Hauptversuchen werden Modellbildungs- und Simulationsarbeiten mit Hilfe thermodynamisch-kinetischer Werkstoffsimulation und Prozesssimulationen durchgeführt und mit grundlagenorientierten experimentellen Untersuchungen verglichen. Dies führt zu einem vertieften Verständnis der experimentellen Befunde und zu weiteren Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Gieß- und Erstarrungseigenschaften.

Die Wandstärke, der in Bild 1 zu sehenden Gießgeometrie für die Dünnwandversuche, ist durch eine modulare Sandform zwischen 1 und 5 mm in 0,5 mm-Schritten einstellbar und beträgt für die Geometrien der Speisungsversuche 25, 120 und 180 mm. Die chemische Zusammensetzung wurde für alle Versuche leicht übereutektisch konstant gehalten. Aufgrund mehrerer serieller Versuchsabgüsse konnte die Gießtemperatur zwischen erster und zuletzt vergossener Form variiert werden. Für die Impfung wurde sowohl die Impfmenge als auch die Impfmethode (Pfannenimpfung, Formimpfung oder kombiniert) gezielt verändert.

Für die Definition eines Prozessfensters für Leichtbauanwendungen konnte in mehreren Versuchen gezeigt werden, dass die kritische Wandstärke bezüglich der Formfüllung und des Gussgefüges durch eine Kombination aus Pfannen- und Formimpfung reduziert werden konnte. Der limitierende Faktor ist dabei die Formfüllung, da Proben bei einer Wandstärke von 1,5 mm ein zementitfreies, perlitisch-ferritisches Gefüge aufweisen, allerdings nicht vollständig gefüllt wurden. Ein vollständig ferritisches Gefüge hingegen wurde lediglich ab einer Wandstärke von 3 mm und bei höheren Siliziumgehalten (ab 3,8 Gew.-%) erreicht (vgl. Bild 2.).

Das Selbstspeisungsvermögen und das sich daraus ergebende Fehlvolumen wurden durch Analysen des Porenvolumens im Gusskörper sowie der Einfallstellen ermittelt. Dazu wurde die Dichtebestimmung durch Auftrieb nach dem Prinzip von Archimedes herangezogen. Es konnte ein klarer Zusammenhang zwi-schen dem sich bei der Erstarrung ausbildenden Fehlvolumen und den untersuchten Prozessparametern (Siliziumgehalt, Impfung und Gießtemperatur) aufgezeigt werden. Dadurch konnten Richtwerte für einen minimalen, aber dennoch erforderlichen und unter den untersuchten Anfangs- und Rahmenbedingungen reproduzierbaren Speisereinsatz für hochsiliziumhaltiges Gusseisen mit Kugelgraphit festgelegt werden.

 

Fazit

Durch die systematische Untersuchung der Gieß- und Erstarrungseigenschaften liegt ein Prozessfenster für den Dünnwandguss mischkristallverfestigter GJS-Werkstoffe hinsichtlich der Formfüllung und der Eigenschaften des Ge-füges vor. Zusätzlich wurde durch das generierte Wissen über die Herstellung dünnwandiger Geometrien aus hochsiliziumhaltigen GJS eine Richtlinie entworfen, die es KMU ermöglicht dünnwandige Leichtbaustrukturen aus diesen Werkstoffen prozesssicher zu produzieren. Weiterhin konnte ein quantitativer Zusammenhang des Porositätsvolumens in Abhängigkeit der verwendeten Prozessparameter nachgewiesen werden. Somit konnte aus den Ergebnissen der Untersuchungen ebenfalls ein Prozessfenster zur Reduzierung des Speisungsaufwandes für die untersuchten Gusseisensorten identifiziert werden.

Für die beteiligten KMU aus der Gießereiindustrie bieten diese Erkenntnisse Möglichkeiten zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch eine Minimierung des Speisereinsatzes sowie durch neue Absatzmöglichkeiten ihrer Gussteile im Leichtbausektor, wo dünnwandige Struktu-ren aus GJS andere Werkstoffe wie Stahl oder Aluminium substituieren und für eine Gewichts-reduzierung sorgen können.

Das Forschungsziel wurde erreicht.

 

 

Das IGF-Vorhaben Nr. 19769N der Forschungsvereinigung Gießereitechnik e.V., Hansaallee 203, 40549 Düsseldorf, wurde über die AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung IGF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

 

Den Kurzbericht als PDF downloaden.