Kokillengießen - Gusseisen

Ein Verfahren für Bauteile mit speziellen Eigenschaften

 

Das Kokillengießverfahren unterscheidet sich vom Sandgießverfahren dadurch, dass die Schmelze nicht in eine Sandform, sondern in eine metallische Dauerform (Kokille) gegossen wird. (Bild 1). Die metallische Kokille bewirkt durch ihre hohe Wärmeleitfähigkeit eine beschleunigte Abkühlung der erstarrenden Schmelze. Als Folge der schnell fortschreitenden Erstarrung entsteht ein feinkörniges und dichtes Gefüge mit entsprechend verbesserten mechanischen Eigenschaften.

Bild 1: Zweiteilige Kokille im aufgefahrenen Zustand mit rotglühendem, aber bereits gestaltfestem Gussteil (Foto: Rexroth Guss, Lohr)

Im Gusseisenbereich kommt hauptsächlich der Schwerkraftkokillenguss zum Einsatz. Die möglichen Verfahrensvarianten sind aus Bild 2 ersichtlich. Neben dem klassischen Kokillenguss von Halbzeugmaterial wie Stangen und Rohren werden auch komplexe Bauteile (siehe Bild 1) hergestellt. Das Schleudergießen und Stranggießen gehören als Sonderverfahren zur Gruppe der Kokillengießverfahren, da diese, wenn auch spezielle, metallische Dauerformen nutzen. Mehr Informationen zu diesen Verfahren finden Sie unter beiden Begriffen auf dieser Homepage.

Bild 2: Einteilung der Dauerformverfahren

Im Gegensatz zu den Sandgießverfahren, bei denen die Gießformen nach dem Abguss zur Gussteilentnahme zerstört werden, können metallische Dauerformen (Kokille = französisch für Schale) zum Beispiel aus Gusseisen oder Stahl nach der Entnahme des Gussteils wider für den nächsten Abguss genutzt werden. Auch größere Serien lassen sich so wirtschaftlich fertigen.

Neben einfachen Geometrien, wie z.B. Quadern oder Büchsen, können durch den Einsatz von Kokillenschiebern, Einlegeteilen und Sandkernen auch komplizierte Geometrien im Kokillenguss hergestellt werden.

Bei der konstruktiven Gestaltung ist darauf zu achten, dass die Schrumpfung und Schwindung bei der Erstarrung nicht behindert werden, damit das Gussteil nicht auf die Kokille ausschrumpfen kann und entnehmbar bleibt. Scharfe Kanten und kleine Radien sollten möglichst vermieden werden, um die Ausbildung eines Härtegefüges an den scharfen Kanten wegen der hohen Abkühlgeschwindigkeit in der metallischen Kokille zu vermeiden.

Durch die hohe Abkühlgeschwindigkeit entsteht ein sehr feines Gefüge mit einer höheren Zahl an kleineren eutektischen Zellen gegenüber der Gussfertigung in sandgebundenen Formen. Die Erstarrung kann durch entsprechende Kühlung oder Aufheizung der betreffenden Kokillenbereiche in weiten Grenzen auf die Bedürfnisse des Gussteils eingestellt werden.

Beim Gusseisen mit Kugelgraphit (EN-GJS) weist der Kokillenguss durch die fein verteilten Kugeln  bessere Dehnungs- und Schlagzähigkeitswerte sowie eine sehr hohe Dichtheit auf. Das Grundgefüge kann ferritisch, ferritisch-perlitisch und perlitisch ausgebildet sein. Die Gussteile werden dabei im Allgemeinen einer Wärmebehandlung unterzogen, um den gewünschten Gefügezustand einzustellen (Bild 3).

Bild 3: Blick in einen Wärmebehandlungsofen mit dem Kokillengusshalbzeug (Foto: Gontermann-Peipers, Siegen)

Kokillenguss aus Gusseisen ist noch nicht genormt. Es lassen sich prinzipiell alle Gusseisensorten nach DIN EN 1561 (GJL), DIN EN 1563 (GJS) und für austenitisches Gusseisen mit Lamellen- oder Kugelgraphit nach EN 13835 anwenden.  Einige Firmen verwenden auch firmenspezifische Bezeichnungen. Sie fertigen teilweise auch Sonderlegierungen, die auf Anfrage erhältlich sind. Für die geometrische Produktspezifikation legt die EN ISO 8062 die allgemeinen Maß-, Form- und Lagetoleranzen sowie Grade für die Bearbeitungszugaben fest. In verschiedenen Tabellen wird darin auf den Kokillenguss hingewiesen.

Bild 4: Bearbeiteter Vielstempel- und Ölhydraulikblock für Formmaschinen aus EN-GJS-400-15 (Foto: Rexroth Guss, Lohr)

Bild 5: Zweiteilige Glasform aus Gusseisen-Kokillenguss mit darin gefertigten Glasflaschen im Vordergrund (Foto: BDG/ZGV)

Charakteristische Anwendungsgebiete des Kokillengießverfahrens bei Eisengusswerkstoffen sind:

  1. Ölhydraulikbauteile (Bild 4), da der Gusseisen-Kokillenguss wegen seiner feinen Gefügestruktur absolut dicht ist. Dafür verantwortlich ist der hohe Widerstand der starren Kokille gegen den bei der Erstarrung auftretenden Graphitisierungsdruck, dessen Volumenzunahme die bei der Erstarrung auftretende Schwindung kompensiert;
     
  2. Hochdruckbeaufschlagte Teile für die Hydraulikindustrie mit größer 250 bar Dauerbelastung, da sich dieser Werkstoff durch höhere Streckgrenzen gegenüber gleichfesten Stahlsorten auszeichnet;
     
  3. Antriebshydraulikguss für Stromschaltanlagen und  Gehäuse für die Energietechnik, wo druckdichte Gussteile zum Einsatz kommen, deren Dichtheit über Jahre gewährleistet werden muss, damit ein Druckabfall durch porösen Guss nicht die Sicherheit der Anlagen beeinträchtigt;
     
  4. Anwender im Präzisionsmaschinen- und Formenbau (Bild 5) schätzen zudem die hohen Oberflächengüten nach dem Bearbeiten, die mit Sandgussteilen wegen der gröberen Kornverteilung nicht erreichbar sind. Die Oberflächen können sogar poliert werden;
     
  5. Kokillengusshalbzeug für die spanende Bearbeitung (Bild 6), da Gusseisenkokillenguss gut spanbar ist. Zudem verfügen die hierauf spezialisierten Gießereien über ein Präventivlager und sind damit sehr schnell lieferfähig und bieten auch eigene Bearbeitungskapazitäten an, die von der Vor- bis zur Endbearbeitung verlaufen können. Typische Gusseisen-Kokillengussteile, die aus Halbzeug gefertigt werden, sind Vierkanthalbzeuge für Hydraulik- und Pumpenteile, Maschinenbaukomponenten (Bild 7) aus vollem Rundhalbzeug sowie Läppscheiben (Bild 8), Zylinderlaufbuchsen und großvolumige Lagerungen für den Schiffbau aus hohl gegossenen Rundstangen.

Bild 6: Schnelle Verfügbarkeit von Kokillengusshalbzeug verschiedener Abmessungen und Formen durch entsprechende Präventivlager in der Gießerei (Foto: Gontermann-Peipers, Siegen)

Bild 7: Eine komplette Läppscheibe aus GJL-Kokillenguss (Foto: Gontermann-Peipers, Siegen)

Die auf den Kokillenguss spezialisierten Eisengießereien verfügen über eine langjährige Erfahrung mit dem speziellen Gießverfahren und ein breites Leistungsangebot in den Bereichen Gussfertigung, Werkstoffberatung und Verfahrensentwicklung sowie Wärmebehandlung und Bearbeitung.

Quellen: K. Herfurth, N. Ketscher und M. Köhler: Giessereitechnik kompakt – Werkstoffe, Verfahren, Anwendungen.  Giesserei-Verlag  GmbH, Düsseldorf 2003, veränderter Nachdruck 2005 (ISBN 3-87260-148-2)

konstruieren + giessen 33 (2008) Nr. 2, S. 2-10