Bemessung ermüdungsbeanspruchter Stahlgussbauteile unter Berücksichtigung herstellungsbedingter Ungänzen (ErStaGu)

Ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung IGF: IGF 19691 N

Forschungseinrichtungen:

  1. Karlsruher Institut für Technologie KIT, Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine
  2. Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik IWM, Freiburg
  3. Fraunhofer Institut für zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP, Saarbrücken

 Laufzeit: 01.10.2017 bis 30.06.2020

 

Zielsetzung:

Erzeugnisse aus Stahlguss finden in vielen Industriezweigen Anwendung. Betriebsbeanspruchungen während der Nutzungsdauer führen zu einer Werkstoffermüdung und begrenzen die Lebensdauer. Die für Stahlguss typischen, herstellungsbedingten Werkstoffungänzen reduzieren die Rissinitiierungsphase oder wirken im ungünstigsten Fall als vorhandene Anfangsrisse. Größe, Art oder Lage der zulässigen Gussfehler sind nach den technischen Lieferbedingungen durch den Anwender vorzugeben. Eine Entscheidungsgrundlage, auf der eine erforderliche Ausfürrungsqualität gewählt werden kann, existiert noch nicht. Die Realisierung von Tragstrukturen mit Stahlgussbauteilen ist aus diesem Grund derzeit nur durch teure und aufwändige Bauteilprüfungen in Ermüdungsversuchen und daher ausschließlich für Prestigeprojekte möglich.

Das Forschungsvorhaben leistet einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung neuer Bemessungs- und Bewertungsvorschriften für ermüdungsbeanspruchte Erzeugnisse aus Stahlguss und zeigt die enormen Potentiale für Bauteile aus diesem Werkstoff auf. Durch die angestrebten Ergebnisse werden dem Tragwerksplaner bzw. Konstrukteur erstmals eine Planungshilfe sowie Werkzeuge zur rechnerischen Ermittlung der Lebensdauer von Stahlgussbauteilen zur Verfügung gestellt. Diese Empfehlungen werden speziell auf die Berechnungsmöglichkeiten und Randbedingungen bei KMU abgestimmt. Dabei sollte einerseits durch eine detaillierte Bewertung mit einer Differenzierung zwischen Rissinitiierung, Kurzrisswachstum und Risswachstum auf Basis der Bruchmechanik, Schädigungsmechanik sowie Bruchflächenanalysen eine möglichst reali-tätsnahe Rechenmethode entwickelt werden und zum anderen ein einfach handhabbares, praxisgerechtes Konzept für KMUs entstehen.

 

Vorgehensweise

Umfangreiche experimentelle Untersuchungen bilden die Bewertungsgrundlage. Dies erfolgte auf drei Ebenen: fehlerfreier Grundwerkstoff (G20Mn5 und G22NiMoCr5-6), Auswirkungen von Gussfehlern und Bewertung von Bauteileinflüssen. Besonderer Fokus lag hierbei auf der Quantifizierung von Wanddickeneffekten, Gussfehlergrößen bzw. deren Lage und der Interaktion von Gussfehlern mit charakteristischen Effekten realer Gussbauteile.
Für ein tiefgehendes Verständnis des Schädigungsprozesses wurden moderne zerstörungs-freie Prüfverfahren kombiniert und die Ermüdungsversuche überwacht.
Ausgehend von aus der Werkstoffcharakterisie-rung abgeleiteten zyklischen Material-, Schädigungs- und Rissfortschrittsmodellen konnten numerische Berechnungsmodelle unterschiedlicher Modelltiefe entwickelt werden. Diese ermöglichten Lebensdauerprognosen, führten zu einem weitgehenden Verständnis für die am Schädigungsprozess beteiligten Mechanismen und können für eine detaillierte Bauteilauslegung angewendet werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse wurden durch bruchmechanische Betrachtungen in ein einfach anwendbares Bemessungskonzept überführt. Einflussfaktoren wie Mittelspannungs abhängigkeit, Toleranzabweichungen, Interaktion mehrerer Gussfehler oder Spannungsgradienten werden durch Abminderungsfaktoren und Zusatzbedingungen berücksichtigt.

 

Ergebnisse

  • Wanddickenabhängige Kennwerte zu den fehlerfreien Grundwerkstoffen (Chemische Zusammensetzung, Schädigungsverhalten, Risswachstumsverhalten)
  • Quantifizierter Einfluss von Gussfehlern auf den Ermüdungswiderstand
  • Umfangreiche 3D-Aufnahmen von innenliegenden Erstarrungslunkern
  • Methoden zur in-Situ Überwachung der Rissausbreitung von innenliegenden und Randfehlern durch ZfP
  • Aussagen zum Schädigungsverhalten in realen Bauteilen inkl. Auswirkungen von Formabweichungen, geometrisch bedingten Spannungserhöhungen und Wanddickeneffekten
  • Numerische Methoden zur detaillierten Bewertung (Rissinitiierung und Riss-wachstum) zum Einfluss von bekannten Gussfehlern auf die Lebensdauer unter zyklischer Beanspruchung
  • Vereinfachtes Bemessungskonzept zur Auslegung von ermüdungsbeanspruchten Bauteilen aus Stahlguss
  • Neu definierte Widerstandskategorien ver-knüpfen Herstellqualität mit dem Ermü-dungswiderstand

 

Fazit

Ergebnis des Vorhabens ist die Verknüpfung der Herstellqualität von Bauteilen aus Stahlguss mit der Ermüdungsbeanspruchbarkeit. Dies ermöglicht

  • eine optimierte Bauteilauslegung,
  • die Reduktion von pauschalen Forderungen nach höchsten Qualitätsklassen und somit
  • wirtschaftliche und ressourcenschonende Bauteile.

Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen stellen eine wissenschaftlich fundierte Datengrundlage für Stahlgusswerkstoffe und Gussfehlereigenschaften dar. Somit ist erstmals eine weitreichende Verknüpfung zwischen Gussfehlergrößen und Ermüdungsbeanspruchbarkeit für die direkte Anwendung in der Bauteilauslegung gegeben.

Das Forschungsziel wurde erreicht.

 

 

Das IGF-Vorhaben Nr. 19691N der Forschungsvereinigungen Gießereitechnik e.V., und FOSTA wurde über die AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung IGF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

 

Den Kurzbericht als PDF downloaden.