DIN ISO 50003: Neue Pflicht zum Nachweis von Energieeffizienzmaßnahmen in Gießereien

Aktuelle energiepolitische Rahmenbedingungen und Auswirkungen der neuen 50000er-Normenfamilie. Von Manuel Bosse, Düsseldorf

Erschienen in GIESSEREI 02/2018

 

Auf der internationalen UN-Klimakonferenz 2015 wurde das Pariser Abkommen beschlossen. Ziel dieses Abkommens ist es, die Erderwärmung auf unter 2 °C und möglichst unter 1,5 °C zu beschränken, was einer Schwellenwertkonzentration von maximal 445 Teilen Kohlendioxid pro einer Millionen Teile Luft (ppm) in der Erdatmosphäre entspricht. Erstmals im Jahr 2016 wurde weltweit die Konzentration von 400 ppm überschritten. Auf europäischer Ebene wurden für das Jahr 2030 Zwischenziele auf dem Weg zu einer kohlenstoffdioxid armen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 beschlossen. Die CO2-Emissionen sollen um 40 Prozent sinken, Erneuerbare Energien sollen auf einen mindestens 27-prozentigen Anteil kommen und die Energieeffizienz um mehr als 27 Prozent im Vergleich zu einem Basisszenario ohne Effizienzanstrengungen verbessert werden. Das deutsche Langfristziel, welches im Klimaschutzplan 2050 beschrieben wird, sieht nahezu Treibhausgasneutralität mit 80 bis 95 Prozent weniger CO2-Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 1990 vor.

Gießereien werden in der Folge dieser Beschlüsse zukünftig stärker gefordert sein, Beiträge zum Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele zu leisten. Siebzehn Gießereien in Deutschland fallen unter den Emissionshandel und konnten ihre Treibhausgasemissionen im Jahr 2016 um 4,7 Prozent gegenüber 2013 senken. Die Gesamtzahl der Zertifikate im EU-Emissionshandel sank im gleichen Zeitraum um 1,74 Prozent pro Jahr, was eine Reduzierung der Gesamtzertifikatemenge von 5,22 Prozent bedeutete. Trotz Durchführung zahlreicher Maßnahmen zur Verbesserung der Energie- und Materialeffizienz bestand somit für viele Gießereien ein Zukaufbedarf an Zertifikaten, um die entstehende Lücke bei der Emissionsreduzierung von etwa 0,5 Prozent zu decken.

Sowohl die Automatisierung von Gießereiprozessen als auch Maßnahmen zur Verbesserung des Umwelt- und Arbeitsschutzes in Gießereien haben den Energiebedarf in den letzten Jahren steigen lassen. Der Strombedarf verdoppelte sich im Jahr 2015 gegenüber 1990 auf fast 6 TWh, wohingegen sich der Energiebedarf durch Gießereikoks auf etwa 2 TWh halbierte. Der gesamte Erdgasbedarf der deutschen Gießerei-Industrie blieb mit etwa 4 TWh über die Jahre stabil. Für den CO2-Ausstoß der Branche hatte dies in der Vergangenheit einen negativen Effekt. Zwar sank der CO2-Ausstoß pro kWh im deutschen Strommix von 761 Gramm im Jahr 1990 auf 527 g CO2/kWh, aber dies liegt deutlich über den Werten von 393 g CO2 für Gießereikoks und 226 g für Erdgas. Ein anderes Bild würde sich ergeben, wenn der deutsche Strommix schon heute dem europäischen Mix gleichen würde, denn mit dem größeren Anteil von Wasserkraft und Kernenergie liegt der Ausstoß von CO2 pro kWh bei etwa 350 g, also unter dem Faktor von Gießereikoks. Es ist absehbar, dass der deutsche Strommix in der Zukunft aufgrund des höheren Anteils erneuerbarer Energien ebenfalls deutlich niedrigere CO2-Emissionen pro kWh ausstoßen wird. Politische Forderungen zielen daher auf eine Abschaltung möglichst aller Kohlekraftwerke bis ins Jahr 2030 ab oder alternativ einen geregelten Kohleausstieg ähnlich der deutschen Atomkraft bis ins Jahr 2040. Zukünftig soll als Einstiegswert für fossile Kraftwerke ein Grenzwert dienen, der auf dem CO2-Jahresausstoß eines zu 85 Prozent ausgelasteten modernen Gaskraftwerks mit 450 g CO2/kWh basiert. Fast alle Kohle-)Kraftwerke, die einen höheren CO2-Ausstoß aufweisen, werden dann voraussichtlich nicht mehr aus dem sogenannten Modernisierungsfonds gefördert.

Der Ausbau erneuerbarer Energien wie Photovoltaik, Wind- oder Wasserkraft sowie effizienter Blockheizkraftwerke (BHKW) ist ohne innovative Gussteile nicht möglich. Deutsche Gießereien haben nur etwa ein Dutzend BHKW und etwa 25 Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien installiert. Einerseits profitieren vor allem Gießereien mit elektrischem Schmelzbetrieb vom größeren Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix, z. B. als im ersten Halbjahr 2017 der Anteil von 32 auf fast 38 Prozent anstieg. Andererseits sehen sich diese Gießereien seit Jahren erheblichen Kostenbelastungen, z. B. durch die EEG-Umlage, ausgesetzt. Bisher konnte
trotz Forschungsbemühungen der Anteil von Gießereikoks nicht durch carbonisierte Biomasse signifikant substituiert werden. Schon heute existiert Bioerdgas, welches bei der Verbrennung weniger als 70 g CO2/kWh aufweist. Leider ist die Verfügbarkeit gegenwärtig begrenzt und in ausreichenden Mengen für die Gießerei-Industrie nicht verfügbar. Das gute Angebot an Erdgas in Deutschland sowie die absehbare zusätzliche Versorgung von Flüssigerdgas sorgt gegenwärtig für niedrigere Preise in der Beschaffung. Bei (fossilem) Erdgas ist daher die Substitution durch Bioerdgas aktuell wirtschaftlich nicht darstellbar. Wirtschaftlich vorteilhaft erscheint es daher, bei  möglichst vielen Heizprozessen Heizöl durch Erdgas zu substituieren und mittelfristig – sofern möglich – auch Dieselstapler auf andere Energieträger umzustellen oder zu elektrifizieren. Maßnahmen zur externen oder internen Nutzung der Abwärme im Betrieb stellen ein weiteres nicht unerhebliches Potenzial in vielen Gießereien dar.

Über 170 Gießereien haben seit 2011 ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 zertifizieren lassen. Über 200 kleine und mittlere Gießereien (KMU) haben ein Energieaudit nach DIN EN 16247-1 durchgeführt oder größtenteils ein sogenanntes alternatives System nach Anlage 2 Nr. 1 - 4 SpaEfV (Spitzenausgleich-Effizienz-Systemverordnung) eingeführt. Dadurch wurde eine energetische Ausgangsbasis geschaffen und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz (Anlage 2 Tabelle 3 SpaEfV) aufgelistet. Ein Großteil des Energiebedarfs entsteht in den Schmelzbetrieben von Gießereien und in der Wärmebehandlung, z. B. beim Stahlgießen. Gießereien haben in den letzten Jahren vor allem im Zuge der Einführung von Systemen zur Verbesserung der Energieeffizienz systematisch Maßnahmen in den Betrieben umgesetzt. Dadurch konnte in den letzten 15 Jahren der Energiebedarf in kWh pro Tonne Flüssigeisen am Beispiel von Eisengießereien um 1 Prozent pro Jahr für Heißwindkupolöfen und 0,5 Prozent für Kaltwindkupolöfen sowie Netz- und Mittelfrequenzöfen verbessert werden. Weitere Erfolge konnten vor allem im Bereich der Querschnittstechnologien erreicht werden. Alte Motoren im Bereich des Sandkreislaufes, an Formanlagen oder Absaugungen wurden durch neue mit Effizienzklasse 3 oder sogar 4 ersetzt, die Druckluftversorgung mit frequenzgeregelten Motoren/Kompressoren und optimaler Steuerung ausgestattet sowie Druckluftnetze erfasst und den Betrieb mit Leckage- Suchgeräten untersucht. Durch die verbesserte LED-Technik werden selbst „heiße und staubige Schmelzbetriebe“ oftmals deutlich heller ausgeleuchtet.

Seit Oktober 2017 müssen nun diese Erfolge bei der Verbesserung der Energieeffizienz in Gießereien bei Rezertifizierung der DIN EN ISO 50001 nachgewiesen werden. In der neuen Akkreditierungsnorm DIN ISO 50003:2016 (muss nicht gekauft werden!), welche die DAkkS-Regel 71 SD 6 022 aus dem Januar 2015 ersetzt, steht eindeutig: "Die Bestätigung der fortlaufenden Verbesserung der energiebezogenen Leistung ist für die Ausstellung der Rezertifizierung notwendig.“ Eine gut beschriebene, aktuell gehaltene und vergleichbare energetische Ausgangsbasis, eine gute Dokumentation in Maßnahmenund Aktionsplänen und messbare Ergebnisse bezüglich Energieeffizienz, Energieeinsatz und Energieverbrauch helfen, ein funktionsfähiges Energiemanagementsystem nachzuweisen. Erfahrungsgemäß werden schon bei anstehenden Überwachungsaudits Hinweise auf die neue Norm ISO 50003 gegeben. Häufig hilft auch die Anlage 2, Tabelle 3 SpaEfV, Maßnahmen systematisch aufzulisten und dann Berechnungen zur internen Verzinsung, Rentabilität, statischer Amortisation und Kapitalrückfluss durchzuführen.

Die ergänzenden Normen ISO 50004, 50006 und 50015 können Unternehmen helfen, die neuen Anforderungen umzusetzen: Sie zeigen, wie zum einen eine energetische Ausgangsbasis und zum anderen relevante Energiekennzahlen gebildet werden können. Anhand dieser Werte wird die energiebezogene Leistung gemessen und entsprechend beurteilt. Tabelle 1 bietet eine Übersicht zum Stand der Dinge bei den Energiemanagement-Normen:
 

Tabelle 1: Energiemanagement-Normen.

Normen Stand der Dinge
DIN EN ISO 50001:2011 Weiterhin die aktuelle Norm für Energiemanagementsysteme
DIN EN ISO 50001:2017 Entwurf Die ISO 50001 wird gegenwärtig überarbeitet und voraussichtlich im Jahr 2019 neu veröffentlicht. Ein Entwurf existiert aus dem Jahr 2017. Die 130 Euro für den Normenentwurf kann man sich lieber sparen, denn ein Erfahrungsaustausch mit dem Qualitäts- oder Umweltmanagementbeauftragten bringt mehr Erkenntnisse. Als Energiemanagementbeauftragte(r) (EnMB) kann man sich die Vorteile der High Level Structure (HLS) und die Herausforderungen der 2015er-Qualitäts- und Umweltmanagementnormen erklären lassen
ISO 50002:2014 Die Norm „Energieaudits - Anforderungen mit Anleitungzur Anwendung“ wird mittelfristig die DIN EN 16247 ablösen
DIN ISO 50003:2016 Anforderungen an Stellen, die Energiemanagementsysteme auditieren und zertifizieren: Ergänzende Informationen zur DIN EN ISO/IEC 17021-1:2015.Die ISO 50003 fordert somit indirekt eine regelmäßige Leistungsverbesserung, denn sie schreibt dem Auditor vor, andernfalls eine „Hauptabweichung“ festzustellen. Mit dieser Aufforderung an die Unternehmen zur erkennbaren Effizienzsteigerung ist mittelbar auch eine Forderung nach verbesserten Messmethoden und moderner Messtechnik verbunden
ISO 50004:2014 Hochpreisiger Leitfaden (180 Euro) mit aktuell geringem „Erkenntnisgewinn“ für die kontinuierliche Verbesserung des Energiemanagementsystems
DIN ISO 50006:2017 Ein Blick in die 117 Euro teure ISO 50006 lohnt sich: Der EnMB erhält Hinweise darauf, wie die „Messung der energiebezogenen Leistung unter Nutzung von energetischen Ausgangsbasen und Energieleistungskennzahlen“ durchgeführt werden sollte
ISO 50015:2014 Die ISO 50015 befindet sich gerade in der Überarbeitung (aktueller Entwurf aus dem Jahr 2017). Ein Kauf lohnt sich erst nach Neuveröffentlichung im Jahr 2018
ISO 50047:2016 Die 183 Euro teure ISO 50047 zur Bestimmung von Energieeinsparungen in Organisationen bringt wenig neue Informationen für Energiemanagementbeauftragte in Gießereien

 

 Die BDG-Service GmbH unterstützt interne Audits in Gießereien. Teilnehmer erhalten dort wichtige Hinweise für anstehende externe Überwachungs- oder (Re-) Zertifizierungsaudits für die Normen
> IATF 16949
> DIN EN ISO 9001
> DIN EN ISO 14001
> DIN EN ISO 50001

 

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