Lastmanagement im Gießereisektor - Umfrage zu Einstellungen und Potenzialabschätzungen

Von Thomas Ketelaer, Jülich

Erschienen in GIESSEREI 03/2018

 

Die ambitionierten Klimaschutzziele auf europäischer und nationaler Ebene sind so gesetzt, dass auch die Industrie ihren Beitrag leisten muss. Neben der Forderung CO2-Emissionen zu senken, fällt in der energiewirtschaftlichen und -politischen Diskussion immer wieder der Begriff Lastmanagement (Demand-Side-Management, kurz DSM). DSM bezeichnet die Steuerung der Nachfrage nach netzgebundenen Dienstleistungen (wie Energie oder Wasser) bei Abnehmern in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten. DSM, in dem auch die Industrie ein großes Potenzial sieht, soll helfen, den Strombedarf in nachfragearme Zeiten zu verschieben sowie durch kurzfristige Stromnachfrageänderungen die Integration der volatilen Erneuerbaren Energien zu unterstützen. Dieser Artikel analysiert die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, bei der die Verbreitung von DSM sowie dessen zukünftiges Potenzial ermittelt wurden. Die Befragung fand in insgesamt sechs Industriesektoren statt [Ketelaer et al. 2017], Thema hier sind die Ergebnisse aus dem Gießereisektor.

 

Teilnehmerstruktur der befragten Unternehmen

Die vorgestellten Daten stammen aus einer computergestützten Telefonbefragung (CATI) im Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 05.01.2016 durch die ARIS Umfrageforschung Markt-, Media- und Sozialforschungsgesellschaft mbH, Hamburg. Insgesamt wurden 303 Interviews mit Unternehmensvertretern aus den Sektoren Aluminium, Eisen & Stahl, Gießereien, Glas, Papier & Pappe sowie Zement geführt. Jedes befragte Unternehmen hatte dabei mindestens 10 Mitarbeiter. 59 vollständige Antworten stammen von Unternehmen aus dem Gießereisektor. Diese lassen sich in die Subgruppen Eisen-, Stahl-, Leichtmetall- und Buntmetallgießereien aufteilen. Bei einer Gesamtzahl von 485 Gießereien mit mehr als 10 Mitarbeitern in Deutschland (statistisches Unternehmensregister, Stand 30.05.2014) geben die vorliegenden Datensätze die Einschätzungen von 12 % der Gießereiunternehmen in Deutschland wieder.

Mehr als die Hälfte der befragten Personen haben leitende Funktionen in ihren Unternehmen (Tabelle 1). Auch die anderen Teilnehmer bekleiden verantwortungsvolle Positionen in ihren Unternehmen, wobei betriebliche Funktion und Entscheidungsbefugnis variieren.
 

Die wesentlichen Charakteristika der befragten Gießereiunternehmen lassen sich Tabelle 2 entnehmen: 52,5 % der befragten Unternehmen sind mittlere Unternehmen mit 50 - 250 Mitarbeitern, 18,6 % sind Kleinunternehmen und 28,8 % sind Großunternehmen (> 250 Mitarbeiter). Bei den Eisen- und Stahlgießereien haben mehrheitlich mittlere und große Unternehmen an der Befragung teilgenommen (89,5 % bzw. 88,9 %), während bei den Leichtmetall- und Buntmetallgießereien die kleinen und mittleren Unternehmen überwiegen (78,3 % bzw. 100 %).

Bezüglich des Energiekostenanteils an den Gesamtkosten der Unternehmen lässt sich keine klare, differenzierende Struktur zwischen den Teilsektoren erkennen. 13,6 % der befragten Gießereien haben Energiekosten, die 30 % der Gesamtkosten überschreiten, während 30,5 % einen Energiekostenanteil von weniger als 10 % besitzen.
Zum Zeitpunkt der Befragung hatten 86,4 % der befragten Gießereien entweder ein Energiemanagementsystem (DIN EN ISO 50001), ein EMAS (Eco Management and Audit Scheme) oder ein Umweltmanagementsystem (DIN EN ISO 14001) implementiert bzw. hatten ein Energieaudit (DIN EN 16247-1) durchgeführt*. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gießereitypen sind gering.

Anhand der beschriebenen Unternehmenseigenschaften werden im Folgenden die Anwendung von DSM sowie die Einstellung und Abschätzungen dazu im Gießereisektor untersucht.

 

DSM – Anwendung und Potenziale

Der in der Ergebnisanalyse verwendete Begriff der Signifikanz bezieht sich auf die Prüfung der Unterschiede durch Kruskal-Wallis-Tests unabhängiger Stichproben mit einem Signifikanzniveau von 5 %. Für die Berechnungen wurde die Statistiksoftware SPSS genutzt.

Zum Zeitpunkt der Befragung setzten 68 % der befragten Unternehmen DSM ein (Bild 1). Auffällig sind die signifikanten Unterschiede zwischen den  Unternehmensgrößenklassen: Die kleinen Unternehmen wenden nur zu 45 % DSM an, während die mittleren Unternehmen zu 61 % und die befragten Großunternehmen sogar zu 94 % DSM praktizieren. Ein weiterer signifikanter Unterschied hinsichtlich der Nutzung von DSM findet sich bei der Implementierung von EMAS. Gießereien, die bereits EMAS implementiert haben, wenden zu 73 % DSM an, während Gießereien ohne EMAS (oder die EMAS gerade umsetzen) nur zu 38 % DSM praktizieren. An dieser Stelle ist die geringe Anzahl an Gießereien ohne EMAS (nur sechs Unternehmen) zu berücksichtigen. Dabei haben die Art der Gießerei sowie die Höhe des Energiekostenanteils keinen signifikanten Einfluss auf die Anwendung von DSM.
 

In Tabelle 3 sind die Antworten der unterschiedlichen Gießereitypen auf Teilfragen zu DSM zusammengefasst. Die Unterschiede sind nicht signifikant. Ebenfalls nicht signifikant sind Unterschiede bezüglich der Unternehmensgröße, des Energiekostenanteils und der Implementierung eines EMAS. Der Anteil der Unternehmen, die sich DSM vorstellen können und DSM bisher noch nicht anwenden, liegt bei 36,8 %. Unternehmen, die bereits DSM praktizieren, sehen zu 40 % weiteres DSM-Potenzial. Eine Produktionsanpassung an variable Strompreise können sich 54,3 % der befragten Gießereien vorstellen. Bei der Subgruppenbetrachtung nach Art der Gießerei zeigt sich, dass sich Eisen-, Stahl- und Buntmetallgießereien zu jeweils mehr als 50 % eine Produktionsanpassung an variable Strompreise vorstellen können. Bei den Leichtmetallgießereien liegt dieser Wert bei 34,8 %. Die Einbeziehung der Wärmeversorgung in Überlegungen zu DSM, die von 52,5 % der Unternehmen praktiziert wird, ist recht ausgeglichen. Wieder liegt der Anteil bei Eisen-, Stahl- und Buntmetallgießereien über 50 %, während er bei den Leichtmetallgießereien mit 43,5 % darunter liegt. Die Spannbreite zwischen den Werten ist mit 19 % (43,5 - 62,5 %) allerdings geringer als bei der Produktionsanpassung an variable Strompreise mit einer Spannbreite von 40,2 % (34,8 - 75,0 %).
 

Bild 2 zeigt die Ergebnisse auf die Frage nach dem DSM-Potenzial bezüglich der Stromversorgung im eigenen Unternehmen in den kommenden zehn Jahren. 52 % der befragten Unternehmen schätzen das Potenzial auf über 5 %. 37 % sehen ein Potenzial von unter 5 % bzw. gar kein Potenzial. Bei dieser Frage bestehen keine signifikanten Unterschiede bzgl. der untersuchten Subgruppen. Nimmt man die Werte aus Bild 2 als repräsentativ an, lässt sich ein Wert für die verschiebbare Stromlast abschätzen: Der Gießereisektor hatte 2013 einen Strombedarf von 5,5 TWh [Destatis, 2015]. Bei einer angenommenen jährlichen durchschnittlichen Vollbenutzungsdauer von 4000 h, ergibt das eine nachgefragte Stromlast von 1375 MW. Daraus lässt sich mit den Werten von Bild 2 ein DSM-Potenzial von 142 MW ermitteln**. Dieser Wert liegt sogar noch etwas höher als der in der „Demand Side Integration Studie“ von Trianel und dem IER Stuttgart [Steurer et al., 2015], in der für Gießereien ein positives DSMPotenzial von ca. 125 MW angeben wird. Dieses Potenzial bezieht sich allerdings nur auf den Prozess der Schmelze in Induktionsöfen, schließt also andere mögliche Lastverschiebeoptionen beispielsweise bei Querschnittstechnologien nicht mit ein. Diese Querschnittstechnologien und möglicherweise weitere Prozesse werden bei der hier durchgeführten Abfrage aber miteinbezogen, da nicht bottom-up nach spezifischen Prozessen gefragt wurde.

** Verwendete Werte: <5 %: 2,5 %, 5 - 10 %: 7,5 %, 10 - 20 %: 15 %, 20 - 30 %: 25 %, > 30 %: 35 %. Die 10 % unbekanntes Potenzial werden gleichmäßig zu den 5 Intervallen addiert.

 

Fazit: DSM ist eine Option für den Gießereisektor

Die Untersuchung zeigt, dass DSM im Gießereisektor eine Rolle spielen kann. Mehr als 10 % der nachgefragten Stromlast lassen sich nach Einschätzung der befragten Personen für DSM nutzen. Der Gießereityp und der Energiekostenanteil haben dabei keinen signifikanten Einfluss auf den Einsatz und die Potenzialabschätzung von DSM. Es wird deutlich, dass große Unternehmen (> 250 Mitarbeiter) häufig DSM anwenden. Ebenso nutzen Unternehmen mit EMAS häufiger DSM als Unternehmen ohne EMAS. Da große Unternehmen seit dem 5.12.2015 verpflichtet sind, ein Energiemanagementsystem (DIN ISO 50001), ein Umweltmanagementsystem (DIN ISO 14000) oder ein EMAS (Eco Management and Audit Scheme) zu implementieren bzw. ein Energieaudit (DIN EN 16247) durchzuführen, erscheint dieser Zusammenhang plausibel. Sollen auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zukünftig durch DSM einen größeren Beitrag zu einem stabilen Stromnetz leisten, müsste bei diesen Unternehmen die Sensibilität für DSM erhöht werden. Dies könnte entweder durch eine verpflichtende Einführung von EMAS bei KMU geschehen – wobei der Aufwand wahrscheinlich überproportional hoch wäre – oder durch spezielle Informationsveranstaltungen für KMU mit dem Fokus auf DSM. Bei diesen Veranstaltungen sollten mögliche Vorteile von DSM durch Kosteneinsparungen deutlich herausgestellt werden.

Thomas Ketelaer, Institut für Energie- und Klimaforschung – Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE), Forschungszentrum Jülich

Literatur:
DESTATIS, Tabellen zu den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen – Teil 2: Energie. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2015.
Ketelaer, T., McKenna, R., Schumann, D. & Hake, J.-F.: Potenzialabschätzungen zum Lastmanagement in sechs energieintensiven Industriesektoren. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 67 (2017) Heft 10.
Steurer, M., Klempp, N., Hufendiek, K., Baumgart, B. & Steinhausen, B.: Identifikation und Realisierung wirtschaftlicher Potenziale für Demand Side Integration in der Industrie in Deutschland. IER Universität Stuttgart, Trianel GmbH, Stuttgart, Aachen, 2015.

 

Diesen Artikel als PDF downloaden.