Hocheffiziente Nutzung von Abwärme aus industriellen Prozessen

Von Michael Schmidt, Saarbrücken

Erschienen in GIESSEREI 07/2016

 

Überschüssige Prozesswärme entsteht in vielen Bereichen: in den energieintensiven Prozessen der Metall-, Glas-, Keramik-, Chemie- oder Zementindustrie ebenso wie beim Betrieb von großen Motoren, zum Beispiel in Blockheizkraftwerken oder auch auf Schiffen.

Abwärmekraftwerke von der DeVeTecGmbH, Saarbrücken, arbeiten nach dem gleichen Grundprinzip wie Großkraftwerke: Sie verdampfen eine Flüssigkeit, die anschließend in einer von DeVeTec entwickelten Kolbenexpansionsmaschine (Wärmekraftmaschine) entspannt wird und so Energie erzeugt. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass anstelle von Wasser ein organisches Fluid (Bioethanol) verwendet wird, das bereits bei niedrigen Temperaturen ein effizientes thermodynamisches Verhalten aufzeigt. So lassen sich Abwärmeströme ab einer Temperatur von 230 °C effizient und wirtschaftlich nutzen.

Bei Großkraftwerken richtet sich jedoch der gesamte Prozess ausschließlich nach der dort installierten Wärmekraftmaschine – es wird genau so viel Wärme erzeugt, wie die Wärmekraftmaschine (in
der Regel eine Turbine) benötigt, um eine optimale Effizienz zu erreichen. Abweichungen von den optimalen Betriebspunkten führen zu signifikanten Reduktionen des Wirkungsgrades.

Betrachtet man jedoch industrielle Abwärme, so kehrt sich dieser Prozess um. Hier muss sich die Wärmekraftmaschine nach der anfallenden Wärme, zum Beispiel aus dem Produktionsprozess, richten. Somit wird klar, dass dadurch ganz andere Anforderungen an die Arbeitsmaschinen gestellt werden. Genau hierfür wurde die Kolbenexpansionsmaschine entwickelt.

Die nach dem Grundprinzip des Kolbenmotors arbeitenden Abwärmekraftwerke von DeVeTec können sehr schnell auf wechselnde Abwärmebedingungen reagieren und so einen außergewöhnlich hohen Anteil der wertvollen Abwärme verwerten. Hinzu kommt, dass gerade die Kolbenexpansionsmaschine sehr effizient arbeitet, da sie bauartbedingt sehr hohe Differenzdrücke realisieren kann. Dies führt dazu, dass hohe Temperaturspreizungen (>150 °C) und daraus resultierend auch eine große Enthalpiespreizung realisiert werden können, was zu einer hohen Energieausbeute führt. Somit erzeugen
Abwärmekraftwerke von DeVeTec auch bei Teillastbetrieb hocheffizient elektrischen Strom. Darüber hinaus stellen sie Wärme auf einem Temperaturniveau von etwa 80 °C anderen Abnehmern zur Verfügung. So kann ein Gesamtnutzungsgrad von mehr als 90 % erzielt werden. Die rückgewonnene Energie kann zum Beispiel genutzt werden, um Anlagen zu heizen, Materialien zu trocknen oder Prozesse zu temperieren. Die Abwärmekraftwerke eignen sich für alle Prozesse, bei denen Temperaturen von mehr als 230 °C entstehen. Neuerdings stehen auch Fluide zur Verfügung, die bereits ab 170 °C eine beachtliche Effizienz erzielen. 

 

Überzeugende energetische Gesamtbilanz bei hohem ökologischem Nutzen

Auch die wirtschaftliche Bilanz kann sich sehen lassen: Die Abwärmekraftwerke von DeVeTec reduzieren die Kosten für den Kauf fremdbezogener Brennstoffe und elektrischer Energie. Hinzu kommt,
dass unter Umständen eigenproduzierter Strom zum Teil oder sogar ganz frei von EEG-Umlagen oder sonstigen Abgaben sein kann. Zusätzliche Einnahmen erzielen die Betreiber durch den KWK-Bonus, denn die Abwärmekraftwerke von DeVeTec sind KWK-Anlagen entsprechend dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWK-G). Da sie automatisch arbeiten und keine Überwachung vor Ort erfordern, entstehen auch keine Kosten für Personal.

Industrieanwender bestätigen, dass sich die Anlagen bei gleichzeitiger Stromerzeugung und Wärmenutzung innerhalb von weniger als vier bis fünf Jahren, je nach Konstellation auch in weniger als
drei Jahren, amortisieren.

 

Die ORC-Technologie – aus ungenutzter Abwärme wird Strom

Die Maschinen von DeVeTec nutzen das als Organic Rankine Cycle (ORC) bekannte Verfahren, das nach dem schottischen Physiker und Ingenieur William Rankine (1820 bis 1872) benannt ist. Er gilt als einer der Mitbegründer der Thermodynamik.

Das Verfahren des DeVeTec-ORCs ist ein klassischer Dampfkreisprozess: Der Abwärmestrom eines Prozesses wird genutzt, um ein organisches Medium – in diesem Fall Bioethanol – zu verdampfen, das anschließend in einem Dampfexpansionsmotor entspannt wird und seine Arbeit verrichtet. Der nunmehr drucklose Dampf wird dann in einen Kondensator geleitet, um dort verflüssigt zu werden. Danach wird das flüssige Ethanol mit einer Pumpe wieder dem Verdampfer zugeführt und erneut verdampft. Somit ist der Prozess geschlossen und der Kreislauf startet von vorne.

Das von DeVeTec verwendete organische Fluid ist in der Regel Bioethanol, das sich aufgrund vieler Vorteile bewährt hat. Es ist umweltverträglich, denn es ist weder toxisch noch fällt es unter die von der EU herausgegebene F-Gas-Verordnung (befasst sich mit fluorierten Treib-hausgasen). Außerdem gefriert es nicht – gerade bei im Freien stehenden Anlagen ist dies von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus zeichnet sich Bioethanol durch einen günstigen Preis aus. 

Von Beginn der Entwicklung an hat DeVeTec die Anlagen in Kooperation mit dem TÜV so konzipiert, dass keinerlei Gefährdungspotenzial besteht, gerade auch im Hinblick auf das Thema Brand- und
Explosionsschutz.

Mit dem an Ort und Stelle erzeugten Strom reduzieren die Betreiber den Einkauf von Strom von Drittanbietern. Dabei sparen sie auch Umlagen wie Netzentgelte oder Haftungs- und EEG-Umlagen.

Die DeVeTec-ORC-Technologie eignet sich für Industriebetriebe mit energieintensiven Produktionsprozessen und die Energiewirtschaft. In Blockheizkraftwerken, die mit Gruben-, Deponie-, Klär- oder Erdgas betrieben werden, verbessert sie die Energiebilanz genauso wie in Biogas-, Solar- und Geothermieanlagen. In Verbindung mit einem Verbrennungsmotor entsteht ein sogenanntes G&D-Kraftwerk, das sich durch hohe Wirkungsgrade auszeichnet. Zudem verbessern die DeVeTec-Abwärmekraftwerke die Energiebilanz von schweren, mobilen Arbeitsmaschinen, da
sie elektrischen Strom und Wärme für den eigenen Bedarf erzeugen und so erhebliche Mengen an Treibstoff einsparen.

 

Der ORC-Dampfexpansionsmotor

Das Herzstück jedes hocheffizienten Abwärmekraftwerkes von DeVeTec ist der Expander. Ergebnis diverser Grundlagenuntersuchungen im Rahmen der F&E-Aktivitäten war, dass die Kolbenmaschine
das System mit der höchsten Effizienz ist.

Kolbenexpansionsmotoren erzielen in einer Stufe eine sehr hohe Druckdifferenz, womit das Enthalpiegefälle deutlich steigt und somit viel mehr Strom erzeugt werden kann, als dies mit verwandten Technologien möglich ist. Ein weiterer erheblicher Vorteil des Kolbenexpansionsmotors ist seine echte Teillastfähigkeit. In Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Abwärmemenge arbeiten der V8-
Motor in einer Spanne von 0 bis 130 kW, der V12-Motor von 0 bis 200 kW oder der V16-Motor von 0 bis 266 kW mit annähernd konstantem Wirkungsgrad. Sollten andere Wärmequellen mit tieferen Temperaturen erschlossen werden, lässt sich der gleiche Motor auch mit anderen organischen Fluiden betreiben, ohne dass er hierzu verändert werden muss.

Nach einer mehr als fünf Jahre dauernden intensiven Entwicklungs- und Erprobungszeit mit industriellen Anwendungspartnern stehen die DeVeTec-Abwärmekraftwerke jetzt in einer Produktfamilie
mit drei Leistungsklassen zur Verfügung. Damit können ungenutzte Abwärmeströme zwischen 800 kW und 2 MW auf einem Temperaturniveau von mehr als 230 °C hocheffizient verstromt werden. Die Abwärmekraftwerke können genau an die Anforderungen der Kunden angepasst werden.

DeVeTec liefert die Abwärmekraftwerke als mobile Containereinheiten (Bild 1) mit der Expander-Generator-Einheit, der Pumpeneinheit und der Steuerungseinheit. Auf diese Weise ist es möglich, sie
einfach in bestehenden Werken nachzurüsten. Auf Wunsch realisiert DeVeTec auch die gesamte Wärmeübertragungstechnik. Werden höhere Leistungen benötigt, können mehrere Anlagen parallel
geschaltet werden.

Die Anlagen arbeiten vollautomatisch und werden fernüberwacht. Der eigens dafür entwickelte Noise & Vibration-Guard überwacht Verschleißerscheinungen, schützt den Motor vor potenziellen Schäden
und minimiert im Rahmen der vorbeugenden Wartung das Risiko von Störungen.

 

Einsatzbeispiele

Beispiel Stoßofen in der Stahlindustrie

Auf dem Werksgelände der Badischen Stahlwerke in Kehl ist seit Anfang 2014 ein weiteres Abwärmekraftwerk von DeVeTec in Betrieb, das die Abwärme eines mit Erdgas befeuerten Stoßofens (Bild 2) nutzt, um daraus elektrischen Strom zu erzeugen. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse wurde das Abwärmekraftwerk in einer Höhe von 8 m und in einer Entfernung von 80 m zum  ORCWärmeüberträger aufgestellt.

Es gibt Überlegungen, die Abwärme des ORC-Prozesses für den Betrieb einer Absorptionskältemaschine zu verwenden. Durch den Einsatz eines Saugzuggebläses in der Rauchgasstrecke des ORC-Wärmetauschers konnte der Einfluss des Abwärmekraftwerkes auf die bestehende Druckregelung des Stoßofens ausgeschlossen werden.

Beispiel Haubenglühe in der Stahlindustrie 

Bei der Bilstein GmbH & Co. KG in Hagen-Hohenlimburg ist eine Anlage von DeVe- Tec seit 2014 Bestandteil eines umfassenden Energieeffizienzprogramms – hier wird die Glüherei nicht isoliert betrachtet, sondern das gesamte Werk wird einbezogen (s. Bild S. 60). Der grundlegend neue Ansatz ist, die beim Kühlen der bis zu 700 °C heißen Coils auftretende überschüssige Energie auszukoppeln und sie in Form von elektrischem Strom und thermischer Energie anderen Verbrauchern im Werk zur Verfügung zu stellen.

Wenn der Kühlprozess startet, wird der als Inertgas verwendete Wasserstoff von 700 °C bis auf 350 °C abgekühlt. Die dabei entzogene Energie erwärmt in einem speziellen Bypass-Kühler Thermalöl auf eine Temperatur von bis zu 270 °C. Dieses Öl wird genutzt, um das Ethanol zu verdampfen, mit dem das ORC-Modul mit seinem Dampfexpansionsmotor elektrischen Strom erzeugt. Die bei der Kondensation des Ethanols anfallende Wärme wird zur Hallenheizung und zum Erwärmen eines Emulsionsbades genutzt. Auch diese Anlage ist ein Beispiel für hohe Effizienz bei stark schwankendem Wärmeangebot. Pro Heizzyklus der Glühe erzeugt die ORCAnlage etwa 350 kWhel elektrischen Strom, der nicht mehr vom Energieversorger zugekauft werden muss.

Die Anlage wurde durch das Bundesumweltministerium im Rahmen des Umweltinnovationsprogramms (www.umweltinnovationsprogramm.de) gefördert.

 

Zusammenfassung

Die Abwärmekraftwerke von DeVeTec gewinnen ein Maximum an Energie aus industriellen Prozessen zurück, indem sie gleichzeitig elektrischen Strom erzeugen und die danach noch vorhandene Energie
auf unterschiedlichen Temperaturniveaus nutzen. So leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz. Außerdem sind sie ein Musterbeispiel für CO2-neutrale und emissionsfreie Stromerzeugung, denn ein Abwärmekraftwerk der DeVeTec kann bei einer Nennleistung von 200 kWel bis zu 3000 t CO2 pro Jahr einsparen.

Dipl.-Ing. (FH) Michael Schmidt, Devetec Gmbh, Saarbrücken

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